von Henni
Genau
wie letztes Jahr fällt es mir schwer 2017 kurz zusammenzufassen und mir einfach
ein paar Platituden über Filmtrends dieses Jahr aus den Fingern zu saugen.
Denn
2017 war ein furchtbares Jahr für die Menschheit oder zumindest für den Teil
davon, der denken und Empathie empfinden kann. Von daher ist es irgendwie
passend, dass ich dieses Jahr tatsächlich genau 13 Lieblingsfilme hatte. Gut,
dass ich nicht an böse Omen glaube…
Natürlich
war das Kinojahr also wieder sehr politisch. Selbst große Blockbuster wie Star Wars wurden in ihren antifaschistischen
Metaphern deutlicher als man von Studiofilmen gewohnt ist. Vermutlich werden Filme
wie Get Out und Wonder Woman irgendwann einmal als Referenzpunkte, um unsere Zeit
zu erfassen, gelten.
Übrigens
2017 auch das Jahr, in dem man sich einmal wieder einen Star Wars Film gucken konnte, ohne sich fremdschämen zu müssen. (The Last Jedi ist trotzdem nicht auf
der Liste.)
Star Wars ist auch ein
gutes Stichwort, denn 2017 war auch wieder ein Jahr der Franchises. Sequels,
Prequels und Reboots haben die Kino- und Fernsehlandschaft dominiert. Das ist
jetzt erstmal nichts Neues, denn natürlich sind Franchise Filme schon seit
einigen Jahren fast ohne Ausnahme immer die erfolgreichsten Filme des Jahres. 2017
war aber das Jahr, in dem Franchise Storytelling künstlerisch sehr viel weiter vorangetrieben
wurde. Statt von stumpf herunterproduzierten, seelenlosen Filmen, mit denen
gewinnfixierte Studios auf den ach so ertragreichen Nostalgiemarkt zielen, gab
es dieses Jahr Versuche echter Künstler die Mechaniken von Fortsetzungen zu
nutzen, um mit Themen und Formen des Mediums Film anders zu experimentieren,
als man es sonst könnte. Wenn man Franchises also als eine Art Genre sehen
wollte, wäre 2017 das Jahr gewesen, was viel dazu beigetragen hätte, damit das
Genre endlich erwachsen wird.
Bevor
es losgeht noch einige Ehrenerwähnungen:
Gut, aber nicht „Top 13“ gut: Made in America, The Killing of a Sacred Dear, Logan Lucky, Thor
Ragnarök, Wonder Woman, Hidden Figures
Film, den ich
fast nur wegen der Reaktionen auf die Liste gesetzt hätte: xXx: The Return
of Xander Cage
Genialster „Jetzt
kapier ich’s“ Moment: mother!
Wirklich größter
Dreck, den ich dieses Jahr gesehen habe: You are wanted
Hat mein
ironisches Genießen von Matthias Schweighöfer beendet: You are wanted
Ernsthaft? Dafür
hat Amazon Geld ausgegeben?: You are wanted
Keine Ahnung von
der Materie, aber trotzdem eine Serie gemacht: You are wanted
Schlechtester
letzter Shot: You
are wanted
Los
geht’s!
13. Dunkirk
Eine
der schönsten Überraschungen des Jahres: Christopher Nolan hat endlich wieder
einen guten Film gemacht!
Nach
den Riesenenttäuschungen The Dark Knight
Rises und Interstellar ist
allein das schon Grund genug, Dunkirk auf
diese Liste zu setzen. Nolan zeigt hier, wie unglaublich befriedigend es sein
kann, wenn er seine beachtlichen Regiekünste tatsächlich einmal wieder an einem
guten Skript auslassen kann.
Er
gibt sich aber nicht nur damit zufrieden, sich in einem für ihm neuen Genre –
dem Kriegsfilm – auszuprobieren, sondern macht die Struktur des Films zum Thema
eigentlichen Thema. Dunkirk erzählt
durch drei sich überschneidende Handlungsstränge die Geschichte der Schlacht um
Dünkirchen aus der Sicht von Land-, See- und Luftstreitkräften. Das Publikum
erlebt dabei eine Woche aus der Sicht der Soldaten an Land, einen Tag aus der
Sicht der losgeschickten Rettungsflotte und eine Stunde aus der Sicht von
Kampfjägerpiloten. Zentral ist bei allen drei Handlungssträngen der Horror der
Zeit: das langsame Warten darauf, dass die Gewalt des Krieges ausbricht (oder
wiederausbricht).
Das
Ergebnis ist ein unglaublich intensiver Kriegsfilm, der es schafft den Horror
und die Angst des Krieges ohne große Gewaltdarstellung zu vermitteln. Außerdem
macht der Film endlich wieder Lust darauf zu sehen, welchem Projekt sich Nolan
als nächstes zuwendet.
12. La La Land
Ich
liebe Genre-Filme und Genre-Untersuchungen. La La Land ist nicht nur ein fantastisches modernes Musical,
sondern auch ein Film darüber, ob es in unserer modernen zynischen Welt
überhaupt noch einen Platz für Musicals und ihre Romantik gibt. Die Antwort
liefert La La Land in einer der
besten letzten Szenen des Jahres.
Emma
Stone und Ryan Gosling sind unser Hollywood Traumpaar, das sich entgegen aller
persönlichen Gegensätze und weiterer Hürden findet… und dann ihre Beziehung
nach dem eigentlichen großen Hollywoodende weiterleben muss. La La Land erzählt diese Geschichte zu
gleichen Teilen charmant, witzig und herzzerreißend.
Außerdem
ist es einfach schön, ein neues Musical mit tollem Soundtrack und bis ins
kleinste Detail durchgeplanten Choreographien zu sehen. Wenn wir Glück haben,
tritt La La Land eine neue Welle von
Musicals los (die nicht von Disney animiert werden). Bis dahin ist es ein Film,
der sich nicht neben Singing in the Rain
und The Sound of Music verstecken
muss.
11. Elle
Als
Elle rauskam, wollte ich ein großes
Essay darüber schreiben, wie der Film die beste cinematische Analyse moderner
Rape-Culture ist. Aber schließlich dachte ich mir, dass ich mit meiner rein
männlichen Perspektive nicht die richtige Stimme für dieses Essay bin.
Jetzt
Monate und diverse Hollywoodskandale später bin ich mir aber immer noch sicher,
dass ich mit meiner ursprünglichen These Recht hatte: Elle ist das Do the right
thing für Rape-Culture. Ein Film, der seine eigenen Zuschauer mit ihren
tiefsten Vorurteilen gegenüber Frauen konfrontiert. Indem es über sie seine
gesamte Laufzeit mit einer einzigen schwerwiegenden Frage konfrontiert: wie
sehr glaubt ihr einer Frau?
Je
nachdem wie (vor allem) der Zuschauer diese Frage beantwortet und zu Isabelle
Hupperts Protagonistin Michèle steht, zeigt sich wie sehr (vor allem) er zu
Frauen steht.
Vielleicht
aber noch ein wichtiger Hinweis: Der Film ist sehr explizit in seiner
Darstellung von Vergewaltigungen und dem folgenden Trauma. Elle ist also ein hart schaubarer Film und nicht für jeden. Es ist
aber auch vor allem ein nötiger Film.
10. T2:
Trainspotting
Wir
werden alle älter. Sucht endet nie. Nostalgie ist eine Lüge. Und wir werden
alle irgendwann einmal sterben. Die Fortsetzung von Trainspotting ist ein tief melancholischer Film über diese traurigen
Wahrheiten.
Mark
Renton (Ewan McGregor) kehrt 20 Jahre nach einem der bekanntesten letzten Shots
der Filmgeschichte nach Edinburgh zurück, um den Scherbenhaufen seines Lebens
wieder zusammenzukehren. Außerdem will er das, was er mittlerweile als goldige
Jugend betrachtet, wieder aufleben zu lassen. Natürlich ist dieses naive Unterfangen
zum Scheitern verurteilt und schon bald planen diverse alte Bekannte, wie sie
sich an dem rächen können, der sie damals sitzen gelassen hat.
Am
ehesten ist T2: Trainspotting (oder
der Einfachheit halber Trainspotting 2)
mit der Before Trilogie von Richard
Linklater zu vergleichen. Danny Boyle will nicht nur einen Fanservice Remix
seines modernen Klassikers liefern, sondern ihn interessiert, wo die Charaktere
von damals heute sind und was das über sie und unsere Gesellschaft aussagt. Hierfür
nutzt er Franchise-Storytelling auf eine interessante neue Weise. Für sich
betrachtet ist Trainspotting 2 ein
Film über eine Gruppe „Freunde!, die vergeblich versuchen an alte Zeiten
anzuschließen, aber wenn man den ersten Trainspotting
mit berücksichtigt, wird dem Zuschauer klar, dass die Zeiten, denen Mark und
seine Freunde hinterhertrauern, keine unbeschwerte Jugend sondern die Hölle auf
Erden waren.
Trainspotting 2 zeigt, dass es
möglich ist, selbst an einen absoluten Kultklassiker anzuschließen und eine
nachdenkliche, tiefgehende Fortsetzung zu schaffen.
9. Get Out
Get Out ist in
vielerlei Hinsicht ein außergewöhnlicher Film. Zunächst einmal ist es
beeindruckend, dass dies hier Jordan Peeles Regiedebüt sein soll. Denn Get Out wirkt mehr wie das
kulminierende Werk eines langjährigen Profis, der es nach jahrzehntelanger
Arbeit endlich geschafft hat, sein Magnum Opus zu schaffen. Dieser wahnsinnige
Karrierestart wird noch bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass Peele bis zu Get Out vor allem als Meister der
Sketchcomedy bekannt war. Selten hat jemand einen so krassen Genrewechsel, so
einfach aussehen lassen.
Der
Film selber ist diesem Karrierepfad gar nicht so unähnlich. Peele besteht den
anstrengenden Drahtseilakt diverse Atmosphären gekonnt zu balancieren, wenn er
die Geschichte des jungen Chris (Daniel Kaluuya) erzählt, der eigentlich nur
das Wochenende bei der Familie seiner weißen Freundin verbringen wollte, sich
aber etwas gänzlich anderem, sehr bösem gegenüber sieht. Bedrückung und
Spannung lösen sich mit durch und durch witzigen Momenten ab, nur um dann Raum
und Ruhe für nüchterne Erkenntnisse über unsere gegenwärtige Gesellschaft zu
schaffen.
Get Out hat auch eine
der komplexesten Darstellungen von Rassismus seit Do the right thing, denn er konzentriert sich auf den gerne
übersehenen liberalen Rassismus. Warum man sich gerade hierauf konzentriert,
wenn dies das Jahr war, in dem der Präsident der Vereinigten Staaten offen
Nazisympathien gezeigt hat, Nazistandpunkte vertritt und Nazis beschäftigt hat
(Notiz am Rande: darf man Trump mittlerweile als Nazi bezeichnen oder ist das
immer noch nicht „technisch korrekt“?), mag ein gutmeinender Idiot fragen und
habe ich mich nach dem ersten Gucken von Get
Out gefragt. Doch der Film hat mir in den folgenden Monat doch geholfen,
diesen Punkt zu verstehen. Wenn eine Gesellschaft nur die lautesten Formen von
Rassismus als inakzeptabel sieht, löst sie damit kein Problem, sondern schafft
nur eine falsche Höflichkeit. Wenn man den offenen Rassismus eines Trumps oder
einer AfD nur mit den „Liberalen“ austauscht, die im Moment dafür plädieren
„Identitätspolitik“ zugunsten des „wahren Klassenkampfes“ sein zu lassen, hat
man das grundlegende Problem unserer Gesellschaft nicht gelöst: Dass man den
„Anderen“ immer noch als weniger menschlich sieht, weil er keine weiße
Hautfarbe hat.
Ach
ja, und der Film ist auch sehr spannend.
8. Guardians of the Galaxy Vol. 2
Kaum
ein Blockbuster Sequel unserer Zeit schafft es momentan an den Erfolg des
Vorgängers anzuknüpfen, weil Studios immer noch denken, das sein Sequel einfach
nur “mehr” haben muss. Mehr Action, mehr „das, was die Leute am ersten Teil
mochten“ und mehr Laufzeit. James Gunn zeigt mit seinem eigenen Sequel zu Guardians of the Galaxy, dass er
versteht, warum dieser Gedankengang von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.
Guardians of the
Galaxy Vol. 2
ist der „kleinste” Blockbuster seit Jahren und erinnert tatsächlich am meisten
an eine Big Budget Star Trek Episode.
Gunn fokussiert den Großteil seines Films nicht auf große Setpieces, sondern
auf die emotionalen Arcs der diversen Guardians, die sich in diesem Teil vor
allem mit dem Missbrauch und der Vernachlässigung auseinandersetzen müssen, die
sie in ihrem Leben erfahren haben. Dadurch dass Gunn nicht versucht den ersten
Teil zu toppen, sondern weiter in die Tiefe zu gehen, schafft er es paradoxerweise
tatsächlich den ersten Teil zu toppen. Wer in der letzten keine Tränen in den
Augen hat, hat ein kaltes, kaltes Herz.
Durch
sein wirklich großes Herz hebt sich Vol.
2 auch von den meisten modernen Superheldenfilmen ab. Wenn der dritte Teil
diese Qualität halten kann, sind die Guardians
of the Galaxy Filme auf den besten Weg nicht nur Genre-Klassiker, sondern
Filmklassiker zu werden.
7. Manchester by
the Sea
Oh
hey, ein unglaublich trauriger und deprimierender Film. Hurra!
Hausmeister
Lee Chandler (Casey Affleck) soll nach dem Tod seines Bruders das Sorgerecht
für dessen Sohn Patrick (Lucas Hedges) übernehmen. Doch es stellt sich schnell
heraus, dass Lee Probleme damit zu haben scheint, den Wunsch seines Bruders
auszuführen.
Kenneth
Lonergans Film startet traurig und setzt dann noch einmal gehörig nach. Die
langsame Erkenntnis warum Lee sich sträubt, das Sorgerecht für Patrick zu
übernehmen, ist einer der schockierendsten Kinomomente des Jahres. Statt dem
Publikum die harten Momente zu ersparen und zu versuchen Trauer à la Oscarbait
leicht verdaulich zu machen, hält Lonergan seine Kamera schonungslos auf dem
Schmerz gerichtet. In diesem Film gibt es keine einfachen Antworten und keine
leicht zu lernende Lektion.
Dabei
ist Manchester by the Sea vor allem
authentisch in seiner Darstellung von männlicher Trauer und wie ungesund sie
werden kann. Während Patrick relativ offen mit seinem Verlust umzugehen
versucht, durchläuft Lee die typischen Phasen von Stoik, Hass und
selbstzerstörerischen Tendenzen. Es ist selten, dass ein Film Trauer und den
Umgang so ungeschminkt und realistisch darstellt.
6. Moonlight
Moonlight scheint dieses
Jahr einfach auf keiner Liste fehlen zu können. Und das zu Recht. Barry
Jenkins‘ wunderbares Drama erzählt sensibel die jahrzehntelange Geschichte
einer tragischen Jugendliebe zwischen dem zunächst sehr introvertierten Chiron
und dem draufgängerischen Kevin.
Ähnlich
aufgebaut wie Boyhood, aber mit drei
verschiedenen Schauspielern für die Rollen von Chiron (Ashton Sambers, Alex R.
Hibbert und Trevante Rhodes) und Kevin (Jaden Piner, Jharrel Jerome und André
Holland), ist Moonlight eine sehr
langsame Charakterstudie der beiden Jungs und wie sie mit der Zeit von ihrer
Umgebung geprägt werden.
Es
ist an schon viel über die soziokulturelle Bedeutung von Moonlight geschrieben worden, von Leuten mit sehr viel mehr
Autorität und Erfahrung als ich, wenn es um die filmische und sonstige Repräsentation
von Afroamerikanern oder LGBT-Menschen geht. Aber ich hätte vielleicht doch
eine kleine Anekdote aus meiner weißen Heteroperspektive anzubieten. Als ich
aus meinem Screening von Moonlight kam,
meinte eine Bekannte: „So eine Geschichte hab ich noch nie gesehen.“ Und das
meinte sie als höchstes Kompliment. Sie war begeistert davon, die Welt für
knapp zwei Stunden aus der Sicht eines kleinen, schwarzen Jungen zu sehen, der
noch nicht weiß, dass er schwul ist, und aus der Sicht seines erwachsenen Ichs,
das seine Gefühle seit Jahren unterdrückt hat. Und ist nicht genau das, das
höchste, was Kunst für uns tun kann? Uns dabei zu helfen, die Welt aus einer
Perspektive zu sehen, wie wir es alleine nie gekonnt hätten. Und uns so letzten
Endes unseren Mitmenschen ein Stück näher zu bringen.
5. Hunt for the
Wilderpeople
Kein
anderer Film dieses Jahr hat mich so sehr begeistert wie Taika Waititis Hunt for the Wilderpeople, dass ich ihn
direkt mehrere Male gucken musste.
Waititi
schafft es die eigentlich ausgetreten Pfade des „alter Mann wird von Kind zu
neuem Lebensmut inspiriert“ Genre wieder wie spannende neue Wege aussehen zu
lassen. Zum Teil liegt dies an dem genialen Casting von Sam Neill und Julian
Dennison als unfreiwillige Partner. Neill ist natürlich ein erfahrener Veteran,
aber Newcomer Dennison stiehlt ihm fast die Show.
Dass
der Film aber nicht nur eine nette Zwischenbeschäftigung, sondern mehr ist,
liegt daran, dass Waititi dem Ganzen eine neue Perspektive gibt, indem er Hunt for the Wilderpeople zu einem
durch und durch neuseeländischen Film macht und einen Maori als seinen
Protagonisten wählt. Es schadet auch nicht, dass Waititi außerdem nicht nur auf
seinen patentierten idiosynchronen Humor zurückgreifen kann, sondern hier auch
ein wahres Händchen für komplexe Bildkompositionen beweist.
Hunt fort he
Wilderpeople
zeigt, dass eine neue Perspektive und schieres Talent selbst die
ausgelutschteste Prämisse in etwas Wunderbares verwandeln können.
4. I don’t feel at home in this world anymore
Jeremy
Saulnier und Macon Blair haben mit Blue
Ruin und Green Room gezeigt,
dass sie ein besonderes Talent für ein leider fast ausgestorbenes Genre haben:
den bodenständigen Thriller. Beide Filme basieren in der Tradition Hitchcocks
auf sehr einfachen, klaren Prämissen, aus denen jedes mögliche Quäntchen Spannung
herausgequetscht wird, kombiniert mit Moralspielen, wie man sie bei den Coens
finden würde.
Blair
zeigt in seinem Regiedebüt (!), dass er Saulnier in dieser Hinsicht in nichts
nachsteht. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes furchteinflößend zu sehen, wie
die Versuche der depressiven Krankenpflegehelferin Ruth (Melanie Lynskey) ihr
gestohlenes Tafelsilber zurückzubekommen, einen scheinbar endlosen Kreislauf
der Gewalt lostreten. Existentielle Panik und nervenzerreißende Showdowns
folgen.
I don’t feel at
home in this world anymore ist ein weiterer würdiger Eintrag im
Saulnier/Blair-Kanon und ein beeindruckendes Regiedebüt.
3. Baby Driver
Ich
habe tatsächlich überlegt, ob ich Baby
Driver nach den Enthüllungen über Kevin Spacey von dieser Liste nehmen
sollte. Ich hab mich dagegen entschieden, weil Film ein kollaboratives Medium
ist und ich es nicht fair finde, wenn das furchtbare Fehlverhalten eines
Individuums die Arbeit hunderter anderer Schauspieler, Techniker,
Kostümdesigner, Make-Up-Artists etc. in den Dreck zieht. Allerdings lässt sich
natürlich nicht verleugnen, dass die Offenbarungen über Spacey die Wirkung des
Filmes für immer verändert haben und vielleicht dafür sorgen werden, dass er in
der Versenkung verschwinden wird.
Dafür
kann man auch niemanden einen Vorwurf machen. Dennoch bleibt der Film eine
weitere technische Meisterleistung von Regisseur Edgar Wright. Wrights
Entscheidung seinen Actionfilm komplett um den Soundtrack herum zu konzipieren,
hat eine enormen Aufwand an Vorausplanung mit sehr wenig Raum für Abweichungen
beim Dreh als Folge gehabt. Dass der Film dennoch nicht nur funktioniert,
sondern ein weiteres kleines Geniestück ist, zeigt eindrucksvoll warum Wright,
einer der besten Regisseure unserer Zeit ist.
Niemand
anderes wäre vermutlich auch auf die Idee gekommen, die Genres Action und
Musical zu mischen, um über moderne Konzeptionen von Maskulinität zu
meditieren. Mit dem titelgebenden Baby (Taron Egerton) schafft er damit einen
modernen Action Protagonisten, der sich nicht über altbackenes „Einsamer
Wolf“-Hypermachismo definiert, sondern fröhlich, zuneigungsvoll und romantisch
ist und ohne Scham zu jeder Art von Musik singt und tanzt.
Oh, und fuck Kevin Spacey.
2. The LEGO Batman Movie
The Lego Batman
Movie hat
das scheinbar Unmögliche geschafft: Einen neuen guten Batmanfilm zu schaffen.
Der zweite Legofilm schafft es außerdem erfolgreich, einen Sidegag aus The Lego Movie in einen
funktionierenden Film inklusive eines wirklich, emotionalen Arc auszubauen, der
sowohl als Metanarrativ über die populärkulturelle Entwicklung der Figur
Batman, als auch als eine überraschend tiefe Untersuchung des menschlichen
Bedürfnisses nach Familie funktioniert.
Wobei
Tiefe beim Sequel des ersten Legofilms nicht mehr überraschen sollte. Will
Arnett zementiert sich mit diesem Film auch als einer der ultimativen Film
Batmen schlechthin. Zur einen Hälfte Dekonstruktion des Fanboy Batmanfetisches,
zur anderen Hälfte endlich ein Batman, der nicht nur kindisch im Dunkeln
brütet, sondern auch Spaß haben kann. Der einzige Batman, der ihm für mich
überhaupt Konkurrenz macht, ist Kevin Conroy.
Und
der Film ist witzig. Es gibt nur einen Film dieses Jahr der mich mehr zum
Lachen gebracht hat (Spoileralarm: Platz Eins). The Lego Batman Movie schafft die perfekte Balance zwischen Witz,
Emotion, popkulturellem Metanarrativ und thematischem Tiefgang und ist damit
ein würdiges Sequel zu einem der besten Filme unseres Jahrhunderts. Oh, und den
dritten Akt muss man gesehen haben, um ihn zu glauben.
1. Twin Peaks:
The Return
Seit
David Lynch die Welt mit seinem Erstlingswerk Eraserhead erschüttert hat, haben Kritiker mehr oder weniger
erfolgreich versucht, in Worten zu beschreiben, was Lynch in Bildern und
Emotionen ausdrückt. Das neue Twin Peaks
ist nun der Höhepunkt dieser Entwicklung, da sich nicht einmal vernünftig
klassifizieren lässt, ob es eine Staffel Fernsehen oder ein Spielfilm ist.
Das
einzige, was wirklich klar ist, ist dass The
Return etwas Neues darstellt. Zwar ist die Geschichte in 18 Teile
unterteilt, aber keiner dieser Teil hat eine klassische Epidosendramaturgie. Stattdessen
werden dem Publikum dutzende Vignetten gezeigt, deren (teilweise nur
thematische) Verbindung zueinander sich erst langsam herauskristallisiert. Der
Sinn einer einzelnen Szene in einer Episode kann sich so zum Beispiel erst nach
drei bis vier weiteren Episoden erschließen. Außerdem ist ein nicht
unbeträchtlicher Teil von The Return
ein Konzertfilm. Letzten Endes stellt The
Return damit sogar, etwas Neues in Lynchs ohnehin schon abgedrehten und
innovativen Filmkanon.
Das
liegt sicherlich auch daran, dass Lynch hier nach Jahrzehnten wieder mit seinem
einstigen Kreativpartner Mark Frost zusammenarbeitet (der beim Lob für die neue
Staffel leider etwas übersehen wird). Lynch und Frost waren schon immer ein
geniales Duo, aber das neue Twin Peaks
könnte tatsächlich ihre beste Kollaboration überhaupt sein. Lynchs surreale
Instinkte und Frosts sechster Sinn für Storystruktur haben noch nie so gut
zusammengepasst wie hier.
Letzten
Endes ist das auch der Grund, warum für mich schon lange bevor andere
Filmkritiker Twin Peaks auf ihre
Jahresendlisten gepackt haben klar war, dass nur Twin Peaks dieses Jahr meine Nummer Eins sein konnte. Keine andere
Geschichte hat mich dieses Jahr so gepackt, wie Lynchs und Frosts neues Epos.
Kein anderes Ende hat mich so zum Nachdenken gebracht, wie das Ende von Twin Peaks. Kein anderer Film dieses
Jahr hatte gleichzeitig die spannendsten, witzigsten und innovativsten Szenen
des Jahres. Keine Performance(s) dieses Jahr kommen auch nur ansatzweise an
Kyle Machlachlans Performance(s) hier heran. Keine neuen Charaktere haben mich
so sehr begeistert, dass ich direkt mehr von ihnen sehen wollte, wie die Twin Peaks Neuzugänge. Keine verspätete
Franchise Fortsetzung (vielleicht mit Ausnahme von Mad Max: Fury Road) hat je dieses Level von Qualität erreicht. Und
deswegen ist Twin Peaks: The Return der
beste Film des Jahres für mich.
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