Sonntag, 21. Januar 2018

Hennis Top 13 Lieblingsfilme 2017



von Henni

Genau wie letztes Jahr fällt es mir schwer 2017 kurz zusammenzufassen und mir einfach ein paar Platituden über Filmtrends dieses Jahr aus den Fingern zu saugen.

Denn 2017 war ein furchtbares Jahr für die Menschheit oder zumindest für den Teil davon, der denken und Empathie empfinden kann. Von daher ist es irgendwie passend, dass ich dieses Jahr tatsächlich genau 13 Lieblingsfilme hatte. Gut, dass ich nicht an böse Omen glaube…

Natürlich war das Kinojahr also wieder sehr politisch. Selbst große Blockbuster wie Star Wars wurden in ihren antifaschistischen Metaphern deutlicher als man von Studiofilmen gewohnt ist. Vermutlich werden Filme wie Get Out und Wonder Woman irgendwann einmal als Referenzpunkte, um unsere Zeit zu erfassen, gelten.

Übrigens 2017 auch das Jahr, in dem man sich einmal wieder einen Star Wars Film gucken konnte, ohne sich fremdschämen zu müssen. (The Last Jedi ist trotzdem nicht auf der Liste.)

Star Wars ist auch ein gutes Stichwort, denn 2017 war auch wieder ein Jahr der Franchises. Sequels, Prequels und Reboots haben die Kino- und Fernsehlandschaft dominiert. Das ist jetzt erstmal nichts Neues, denn natürlich sind Franchise Filme schon seit einigen Jahren fast ohne Ausnahme immer die erfolgreichsten Filme des Jahres. 2017 war aber das Jahr, in dem Franchise Storytelling künstlerisch sehr viel weiter vorangetrieben wurde. Statt von stumpf herunterproduzierten, seelenlosen Filmen, mit denen gewinnfixierte Studios auf den ach so ertragreichen Nostalgiemarkt zielen, gab es dieses Jahr Versuche echter Künstler die Mechaniken von Fortsetzungen zu nutzen, um mit Themen und Formen des Mediums Film anders zu experimentieren, als man es sonst könnte. Wenn man Franchises also als eine Art Genre sehen wollte, wäre 2017 das Jahr gewesen, was viel dazu beigetragen hätte, damit das Genre endlich erwachsen wird.

Bevor es losgeht noch einige Ehrenerwähnungen:

Gut, aber nicht „Top 13“ gut: Made in America, The Killing of a Sacred Dear, Logan Lucky, Thor Ragnarök, Wonder Woman, Hidden Figures
Film, den ich fast nur wegen der Reaktionen auf die Liste gesetzt hätte: xXx: The Return of Xander Cage
Genialster „Jetzt kapier ich’s“ Moment: mother!
Wirklich größter Dreck, den ich dieses Jahr gesehen habe: You are wanted
Hat mein ironisches Genießen von Matthias Schweighöfer beendet: You are wanted
Ernsthaft? Dafür hat Amazon Geld ausgegeben?: You are wanted
Keine Ahnung von der Materie, aber trotzdem eine Serie gemacht: You are wanted
Schlechtester letzter Shot: You are wanted

Los geht’s!

13. Dunkirk


Eine der schönsten Überraschungen des Jahres: Christopher Nolan hat endlich wieder einen guten Film gemacht!

Nach den Riesenenttäuschungen The Dark Knight Rises und Interstellar ist allein das schon Grund genug, Dunkirk auf diese Liste zu setzen. Nolan zeigt hier, wie unglaublich befriedigend es sein kann, wenn er seine beachtlichen Regiekünste tatsächlich einmal wieder an einem guten Skript auslassen kann.

Er gibt sich aber nicht nur damit zufrieden, sich in einem für ihm neuen Genre – dem Kriegsfilm – auszuprobieren, sondern macht die Struktur des Films zum Thema eigentlichen Thema. Dunkirk erzählt durch drei sich überschneidende Handlungsstränge die Geschichte der Schlacht um Dünkirchen aus der Sicht von Land-, See- und Luftstreitkräften. Das Publikum erlebt dabei eine Woche aus der Sicht der Soldaten an Land, einen Tag aus der Sicht der losgeschickten Rettungsflotte und eine Stunde aus der Sicht von Kampfjägerpiloten. Zentral ist bei allen drei Handlungssträngen der Horror der Zeit: das langsame Warten darauf, dass die Gewalt des Krieges ausbricht (oder wiederausbricht).

Das Ergebnis ist ein unglaublich intensiver Kriegsfilm, der es schafft den Horror und die Angst des Krieges ohne große Gewaltdarstellung zu vermitteln. Außerdem macht der Film endlich wieder Lust darauf zu sehen, welchem Projekt sich Nolan als nächstes zuwendet.

12. La La Land


Ich liebe Genre-Filme und Genre-Untersuchungen. La La Land ist nicht nur ein fantastisches modernes Musical, sondern auch ein Film darüber, ob es in unserer modernen zynischen Welt überhaupt noch einen Platz für Musicals und ihre Romantik gibt. Die Antwort liefert La La Land in einer der besten letzten Szenen des Jahres.

Emma Stone und Ryan Gosling sind unser Hollywood Traumpaar, das sich entgegen aller persönlichen Gegensätze und weiterer Hürden findet… und dann ihre Beziehung nach dem eigentlichen großen Hollywoodende weiterleben muss. La La Land erzählt diese Geschichte zu gleichen Teilen charmant, witzig und herzzerreißend.

Außerdem ist es einfach schön, ein neues Musical mit tollem Soundtrack und bis ins kleinste Detail durchgeplanten Choreographien zu sehen. Wenn wir Glück haben, tritt La La Land eine neue Welle von Musicals los (die nicht von Disney animiert werden). Bis dahin ist es ein Film, der sich nicht neben Singing in the Rain und The Sound of Music verstecken muss.

11. Elle


Als Elle rauskam, wollte ich ein großes Essay darüber schreiben, wie der Film die beste cinematische Analyse moderner Rape-Culture ist. Aber schließlich dachte ich mir, dass ich mit meiner rein männlichen Perspektive nicht die richtige Stimme für dieses Essay bin.

Jetzt Monate und diverse Hollywoodskandale später bin ich mir aber immer noch sicher, dass ich mit meiner ursprünglichen These Recht hatte: Elle ist das Do the right thing für Rape-Culture. Ein Film, der seine eigenen Zuschauer mit ihren tiefsten Vorurteilen gegenüber Frauen konfrontiert. Indem es über sie seine gesamte Laufzeit mit einer einzigen schwerwiegenden Frage konfrontiert: wie sehr glaubt ihr einer Frau?

Je nachdem wie (vor allem) der Zuschauer diese Frage beantwortet und zu Isabelle Hupperts Protagonistin Michèle steht, zeigt sich wie sehr (vor allem) er zu Frauen steht.

Vielleicht aber noch ein wichtiger Hinweis: Der Film ist sehr explizit in seiner Darstellung von Vergewaltigungen und dem folgenden Trauma. Elle ist also ein hart schaubarer Film und nicht für jeden. Es ist aber auch vor allem ein nötiger Film.

10. T2: Trainspotting


Wir werden alle älter. Sucht endet nie. Nostalgie ist eine Lüge. Und wir werden alle irgendwann einmal sterben. Die Fortsetzung von Trainspotting ist ein tief melancholischer Film über diese traurigen Wahrheiten.

Mark Renton (Ewan McGregor) kehrt 20 Jahre nach einem der bekanntesten letzten Shots der Filmgeschichte nach Edinburgh zurück, um den Scherbenhaufen seines Lebens wieder zusammenzukehren. Außerdem will er das, was er mittlerweile als goldige Jugend betrachtet, wieder aufleben zu lassen. Natürlich ist dieses naive Unterfangen zum Scheitern verurteilt und schon bald planen diverse alte Bekannte, wie sie sich an dem rächen können, der sie damals sitzen gelassen hat.

Am ehesten ist T2: Trainspotting (oder der Einfachheit halber Trainspotting 2) mit der Before Trilogie von Richard Linklater zu vergleichen. Danny Boyle will nicht nur einen Fanservice Remix seines modernen Klassikers liefern, sondern ihn interessiert, wo die Charaktere von damals heute sind und was das über sie und unsere Gesellschaft aussagt. Hierfür nutzt er Franchise-Storytelling auf eine interessante neue Weise. Für sich betrachtet ist Trainspotting 2 ein Film über eine Gruppe „Freunde!, die vergeblich versuchen an alte Zeiten anzuschließen, aber wenn man den ersten Trainspotting mit berücksichtigt, wird dem Zuschauer klar, dass die Zeiten, denen Mark und seine Freunde hinterhertrauern, keine unbeschwerte Jugend sondern die Hölle auf Erden waren.

Trainspotting 2 zeigt, dass es möglich ist, selbst an einen absoluten Kultklassiker anzuschließen und eine nachdenkliche, tiefgehende Fortsetzung zu schaffen.

9. Get Out


Get Out ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnlicher Film. Zunächst einmal ist es beeindruckend, dass dies hier Jordan Peeles Regiedebüt sein soll. Denn Get Out wirkt mehr wie das kulminierende Werk eines langjährigen Profis, der es nach jahrzehntelanger Arbeit endlich geschafft hat, sein Magnum Opus zu schaffen. Dieser wahnsinnige Karrierestart wird noch bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass Peele bis zu Get Out vor allem als Meister der Sketchcomedy bekannt war. Selten hat jemand einen so krassen Genrewechsel, so einfach aussehen lassen.

Der Film selber ist diesem Karrierepfad gar nicht so unähnlich. Peele besteht den anstrengenden Drahtseilakt diverse Atmosphären gekonnt zu balancieren, wenn er die Geschichte des jungen Chris (Daniel Kaluuya) erzählt, der eigentlich nur das Wochenende bei der Familie seiner weißen Freundin verbringen wollte, sich aber etwas gänzlich anderem, sehr bösem gegenüber sieht. Bedrückung und Spannung lösen sich mit durch und durch witzigen Momenten ab, nur um dann Raum und Ruhe für nüchterne Erkenntnisse über unsere gegenwärtige Gesellschaft zu schaffen.

Get Out hat auch eine der komplexesten Darstellungen von Rassismus seit Do the right thing, denn er konzentriert sich auf den gerne übersehenen liberalen Rassismus. Warum man sich gerade hierauf konzentriert, wenn dies das Jahr war, in dem der Präsident der Vereinigten Staaten offen Nazisympathien gezeigt hat, Nazistandpunkte vertritt und Nazis beschäftigt hat (Notiz am Rande: darf man Trump mittlerweile als Nazi bezeichnen oder ist das immer noch nicht „technisch korrekt“?), mag ein gutmeinender Idiot fragen und habe ich mich nach dem ersten Gucken von Get Out gefragt. Doch der Film hat mir in den folgenden Monat doch geholfen, diesen Punkt zu verstehen. Wenn eine Gesellschaft nur die lautesten Formen von Rassismus als inakzeptabel sieht, löst sie damit kein Problem, sondern schafft nur eine falsche Höflichkeit. Wenn man den offenen Rassismus eines Trumps oder einer AfD nur mit den „Liberalen“ austauscht, die im Moment dafür plädieren „Identitätspolitik“ zugunsten des „wahren Klassenkampfes“ sein zu lassen, hat man das grundlegende Problem unserer Gesellschaft nicht gelöst: Dass man den „Anderen“ immer noch als weniger menschlich sieht, weil er keine weiße Hautfarbe hat.

Ach ja, und der Film ist auch sehr spannend.

8. Guardians of the Galaxy Vol. 2


Kaum ein Blockbuster Sequel unserer Zeit schafft es momentan an den Erfolg des Vorgängers anzuknüpfen, weil Studios immer noch denken, das sein Sequel einfach nur “mehr” haben muss. Mehr Action, mehr „das, was die Leute am ersten Teil mochten“ und mehr Laufzeit. James Gunn zeigt mit seinem eigenen Sequel zu Guardians of the Galaxy, dass er versteht, warum dieser Gedankengang von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.

Guardians of the Galaxy Vol. 2 ist der „kleinste” Blockbuster seit Jahren und erinnert tatsächlich am meisten an eine Big Budget Star Trek Episode. Gunn fokussiert den Großteil seines Films nicht auf große Setpieces, sondern auf die emotionalen Arcs der diversen Guardians, die sich in diesem Teil vor allem mit dem Missbrauch und der Vernachlässigung auseinandersetzen müssen, die sie in ihrem Leben erfahren haben. Dadurch dass Gunn nicht versucht den ersten Teil zu toppen, sondern weiter in die Tiefe zu gehen, schafft er es paradoxerweise tatsächlich den ersten Teil zu toppen. Wer in der letzten keine Tränen in den Augen hat, hat ein kaltes, kaltes Herz.

Durch sein wirklich großes Herz hebt sich Vol. 2 auch von den meisten modernen Superheldenfilmen ab. Wenn der dritte Teil diese Qualität halten kann, sind die Guardians of the Galaxy Filme auf den besten Weg nicht nur Genre-Klassiker, sondern Filmklassiker zu werden.

7. Manchester by the Sea


Oh hey, ein unglaublich trauriger und deprimierender Film. Hurra!

Hausmeister Lee Chandler (Casey Affleck) soll nach dem Tod seines Bruders das Sorgerecht für dessen Sohn Patrick (Lucas Hedges) übernehmen. Doch es stellt sich schnell heraus, dass Lee Probleme damit zu haben scheint, den Wunsch seines Bruders auszuführen.

Kenneth Lonergans Film startet traurig und setzt dann noch einmal gehörig nach. Die langsame Erkenntnis warum Lee sich sträubt, das Sorgerecht für Patrick zu übernehmen, ist einer der schockierendsten Kinomomente des Jahres. Statt dem Publikum die harten Momente zu ersparen und zu versuchen Trauer à la Oscarbait leicht verdaulich zu machen, hält Lonergan seine Kamera schonungslos auf dem Schmerz gerichtet. In diesem Film gibt es keine einfachen Antworten und keine leicht zu lernende Lektion.

Dabei ist Manchester by the Sea vor allem authentisch in seiner Darstellung von männlicher Trauer und wie ungesund sie werden kann. Während Patrick relativ offen mit seinem Verlust umzugehen versucht, durchläuft Lee die typischen Phasen von Stoik, Hass und selbstzerstörerischen Tendenzen. Es ist selten, dass ein Film Trauer und den Umgang so ungeschminkt und realistisch darstellt.

6. Moonlight


Moonlight scheint dieses Jahr einfach auf keiner Liste fehlen zu können. Und das zu Recht. Barry Jenkins‘ wunderbares Drama erzählt sensibel die jahrzehntelange Geschichte einer tragischen Jugendliebe zwischen dem zunächst sehr introvertierten Chiron und dem draufgängerischen Kevin.

Ähnlich aufgebaut wie Boyhood, aber mit drei verschiedenen Schauspielern für die Rollen von Chiron (Ashton Sambers, Alex R. Hibbert und Trevante Rhodes) und Kevin (Jaden Piner, Jharrel Jerome und André Holland), ist Moonlight eine sehr langsame Charakterstudie der beiden Jungs und wie sie mit der Zeit von ihrer Umgebung geprägt werden.

Es ist an schon viel über die soziokulturelle Bedeutung von Moonlight geschrieben worden, von Leuten mit sehr viel mehr Autorität und Erfahrung als ich, wenn es um die filmische und sonstige Repräsentation von Afroamerikanern oder LGBT-Menschen geht. Aber ich hätte vielleicht doch eine kleine Anekdote aus meiner weißen Heteroperspektive anzubieten. Als ich aus meinem Screening von Moonlight kam, meinte eine Bekannte: „So eine Geschichte hab ich noch nie gesehen.“ Und das meinte sie als höchstes Kompliment. Sie war begeistert davon, die Welt für knapp zwei Stunden aus der Sicht eines kleinen, schwarzen Jungen zu sehen, der noch nicht weiß, dass er schwul ist, und aus der Sicht seines erwachsenen Ichs, das seine Gefühle seit Jahren unterdrückt hat. Und ist nicht genau das, das höchste, was Kunst für uns tun kann? Uns dabei zu helfen, die Welt aus einer Perspektive zu sehen, wie wir es alleine nie gekonnt hätten. Und uns so letzten Endes unseren Mitmenschen ein Stück näher zu bringen.

5. Hunt for the Wilderpeople


Kein anderer Film dieses Jahr hat mich so sehr begeistert wie Taika Waititis Hunt for the Wilderpeople, dass ich ihn direkt mehrere Male gucken musste.

Waititi schafft es die eigentlich ausgetreten Pfade des „alter Mann wird von Kind zu neuem Lebensmut inspiriert“ Genre wieder wie spannende neue Wege aussehen zu lassen. Zum Teil liegt dies an dem genialen Casting von Sam Neill und Julian Dennison als unfreiwillige Partner. Neill ist natürlich ein erfahrener Veteran, aber Newcomer Dennison stiehlt ihm fast die Show.

Dass der Film aber nicht nur eine nette Zwischenbeschäftigung, sondern mehr ist, liegt daran, dass Waititi dem Ganzen eine neue Perspektive gibt, indem er Hunt for the Wilderpeople zu einem durch und durch neuseeländischen Film macht und einen Maori als seinen Protagonisten wählt. Es schadet auch nicht, dass Waititi außerdem nicht nur auf seinen patentierten idiosynchronen Humor zurückgreifen kann, sondern hier auch ein wahres Händchen für komplexe Bildkompositionen beweist.

Hunt fort he Wilderpeople zeigt, dass eine neue Perspektive und schieres Talent selbst die ausgelutschteste Prämisse in etwas Wunderbares verwandeln können.

4. I don’t feel at home in this world anymore


Jeremy Saulnier und Macon Blair haben mit Blue Ruin und Green Room gezeigt, dass sie ein besonderes Talent für ein leider fast ausgestorbenes Genre haben: den bodenständigen Thriller. Beide Filme basieren in der Tradition Hitchcocks auf sehr einfachen, klaren Prämissen, aus denen jedes mögliche Quäntchen Spannung herausgequetscht wird, kombiniert mit Moralspielen, wie man sie bei den Coens finden würde.

Blair zeigt in seinem Regiedebüt (!), dass er Saulnier in dieser Hinsicht in nichts nachsteht. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes furchteinflößend zu sehen, wie die Versuche der depressiven Krankenpflegehelferin Ruth (Melanie Lynskey) ihr gestohlenes Tafelsilber zurückzubekommen, einen scheinbar endlosen Kreislauf der Gewalt lostreten. Existentielle Panik und nervenzerreißende Showdowns folgen.

I don’t feel at home in this world anymore ist ein weiterer würdiger Eintrag im Saulnier/Blair-Kanon und ein beeindruckendes Regiedebüt.

3. Baby Driver


Ich habe tatsächlich überlegt, ob ich Baby Driver nach den Enthüllungen über Kevin Spacey von dieser Liste nehmen sollte. Ich hab mich dagegen entschieden, weil Film ein kollaboratives Medium ist und ich es nicht fair finde, wenn das furchtbare Fehlverhalten eines Individuums die Arbeit hunderter anderer Schauspieler, Techniker, Kostümdesigner, Make-Up-Artists etc. in den Dreck zieht. Allerdings lässt sich natürlich nicht verleugnen, dass die Offenbarungen über Spacey die Wirkung des Filmes für immer verändert haben und vielleicht dafür sorgen werden, dass er in der Versenkung verschwinden wird.

Dafür kann man auch niemanden einen Vorwurf machen. Dennoch bleibt der Film eine weitere technische Meisterleistung von Regisseur Edgar Wright. Wrights Entscheidung seinen Actionfilm komplett um den Soundtrack herum zu konzipieren, hat eine enormen Aufwand an Vorausplanung mit sehr wenig Raum für Abweichungen beim Dreh als Folge gehabt. Dass der Film dennoch nicht nur funktioniert, sondern ein weiteres kleines Geniestück ist, zeigt eindrucksvoll warum Wright, einer der besten Regisseure unserer Zeit ist.

Niemand anderes wäre vermutlich auch auf die Idee gekommen, die Genres Action und Musical zu mischen, um über moderne Konzeptionen von Maskulinität zu meditieren. Mit dem titelgebenden Baby (Taron Egerton) schafft er damit einen modernen Action Protagonisten, der sich nicht über altbackenes „Einsamer Wolf“-Hypermachismo definiert, sondern fröhlich, zuneigungsvoll und romantisch ist und ohne Scham zu jeder Art von Musik singt und tanzt.

Oh, und fuck Kevin Spacey.

2. The LEGO Batman Movie


The Lego Batman Movie hat das scheinbar Unmögliche geschafft: Einen neuen guten Batmanfilm zu schaffen. Der zweite Legofilm schafft es außerdem erfolgreich, einen Sidegag aus The Lego Movie in einen funktionierenden Film inklusive eines wirklich, emotionalen Arc auszubauen, der sowohl als Metanarrativ über die populärkulturelle Entwicklung der Figur Batman, als auch als eine überraschend tiefe Untersuchung des menschlichen Bedürfnisses nach Familie funktioniert.

Wobei Tiefe beim Sequel des ersten Legofilms nicht mehr überraschen sollte. Will Arnett zementiert sich mit diesem Film auch als einer der ultimativen Film Batmen schlechthin. Zur einen Hälfte Dekonstruktion des Fanboy Batmanfetisches, zur anderen Hälfte endlich ein Batman, der nicht nur kindisch im Dunkeln brütet, sondern auch Spaß haben kann. Der einzige Batman, der ihm für mich überhaupt Konkurrenz macht, ist Kevin Conroy.

Und der Film ist witzig. Es gibt nur einen Film dieses Jahr der mich mehr zum Lachen gebracht hat (Spoileralarm: Platz Eins). The Lego Batman Movie schafft die perfekte Balance zwischen Witz, Emotion, popkulturellem Metanarrativ und thematischem Tiefgang und ist damit ein würdiges Sequel zu einem der besten Filme unseres Jahrhunderts. Oh, und den dritten Akt muss man gesehen haben, um ihn zu glauben.

1. Twin Peaks: The Return


Seit David Lynch die Welt mit seinem Erstlingswerk Eraserhead erschüttert hat, haben Kritiker mehr oder weniger erfolgreich versucht, in Worten zu beschreiben, was Lynch in Bildern und Emotionen ausdrückt. Das neue Twin Peaks ist nun der Höhepunkt dieser Entwicklung, da sich nicht einmal vernünftig klassifizieren lässt, ob es eine Staffel Fernsehen oder ein Spielfilm ist.

Das einzige, was wirklich klar ist, ist dass The Return etwas Neues darstellt. Zwar ist die Geschichte in 18 Teile unterteilt, aber keiner dieser Teil hat eine klassische Epidosendramaturgie. Stattdessen werden dem Publikum dutzende Vignetten gezeigt, deren (teilweise nur thematische) Verbindung zueinander sich erst langsam herauskristallisiert. Der Sinn einer einzelnen Szene in einer Episode kann sich so zum Beispiel erst nach drei bis vier weiteren Episoden erschließen. Außerdem ist ein nicht unbeträchtlicher Teil von The Return ein Konzertfilm. Letzten Endes stellt The Return damit sogar, etwas Neues in Lynchs ohnehin schon abgedrehten und innovativen Filmkanon.

Das liegt sicherlich auch daran, dass Lynch hier nach Jahrzehnten wieder mit seinem einstigen Kreativpartner Mark Frost zusammenarbeitet (der beim Lob für die neue Staffel leider etwas übersehen wird). Lynch und Frost waren schon immer ein geniales Duo, aber das neue Twin Peaks könnte tatsächlich ihre beste Kollaboration überhaupt sein. Lynchs surreale Instinkte und Frosts sechster Sinn für Storystruktur haben noch nie so gut zusammengepasst wie hier.

Letzten Endes ist das auch der Grund, warum für mich schon lange bevor andere Filmkritiker Twin Peaks auf ihre Jahresendlisten gepackt haben klar war, dass nur Twin Peaks dieses Jahr meine Nummer Eins sein konnte. Keine andere Geschichte hat mich dieses Jahr so gepackt, wie Lynchs und Frosts neues Epos. Kein anderes Ende hat mich so zum Nachdenken gebracht, wie das Ende von Twin Peaks. Kein anderer Film dieses Jahr hatte gleichzeitig die spannendsten, witzigsten und innovativsten Szenen des Jahres. Keine Performance(s) dieses Jahr kommen auch nur ansatzweise an Kyle Machlachlans Performance(s) hier heran. Keine neuen Charaktere haben mich so sehr begeistert, dass ich direkt mehr von ihnen sehen wollte, wie die Twin Peaks Neuzugänge. Keine verspätete Franchise Fortsetzung (vielleicht mit Ausnahme von Mad Max: Fury Road) hat je dieses Level von Qualität erreicht. Und deswegen ist Twin Peaks: The Return der beste Film des Jahres für mich.

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