Donnerstag, 17. Oktober 2013

Episodisches Erzählen ist nicht tot!



Die Kritik an „Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D“ bringt Henni zum Philosophieren

Seit gut einem Monat läuft die erste Fernsehserie aus dem Marvel-Film Universum Agents of S.H.I.E.L.D. nun schon und bis jetzt weiß sie mich zu unterhalten. Sie ist zwar (noch?) nicht die neue Topserie, die sich viele erhofft hatten, und bleibt meiner Meinung nach auch (noch?) hinter Seriengott Joss Whedons anderen Serien zurück, aber mal ehrlich: es liefen erst 4 Folgen.

Trotzdem gibt es schon eine Konstante in der Kritik an der Serie. In den Augen vieler Zuschauer hat die Serie noch keinen deutlich genugen roten Faden. Das hat sich mit der neuesten vierten Episode zwar geändert, aber ich würde diese Beschwerde dennoch gerne etwas näher unter die Lupe nehmen. Denn sie ist Zeichen einer immer häufiger auftretenden Mentalität: den Roter-Faden-Fetischisten, kurz RoFaFe.

Durch die Entwicklung, die Fernsehserien in den letzten beiden Jahrzehnten unterlaufen haben, gibt es heutzutage so viele Serien mit übergreifender Rahmenhandlung und/oder einer Erzählweise, die völlig auf alleinstehende Episoden verzichtet, wie noch nie. Irgendwie führte dies bei vielen Zuschauern zu der Überzeugung, dass diese neuen Arten des Erzählens grundsätzlich besser sind, als das klassische episodische Erzählen. Und das ist Quatsch.

Denn wie jede Form des Geschichtenerzählens hat auch der rote Faden seine Nachteile. Für jedes The Wire (gut) gibt es auch ein Game of Thrones (schlecht). Natürlich kann man mit dieser Erzählart Charaktere auf detailierteste Art beleuchten. Man kann aber auch einfach unnötig langsam erzählen und völlig nichtige Geschichten zu abnormalen Größen aufpusten. Man kann überlangen Film aus Einzelepisoden schaffen und dadurch mehr Zeit zur Verfügung haben, als es ein anderes Medium ermöglichen würde. Man kann aber auch einfach nur Episoden mit langweiligem Füllmaterial strecken um auf die vom Sender bestellte Episodenanzahl zu kommen.

Dies macht viele aktuelle Serien für mich fast unansehbar. Und das sage ich als großer Michael Haneke Fan, aber auch meine Geduld ist irgendwann überstrapaziert. Game of Thrones hätte besser mit der Hälfte der Episoden und Charaktere funktioniert. Dann wäre es zumindest eine leicht trashige Fantasy-Serie für zwischendurch gewesen. In seiner jetzigen Form ist es aber eine quälend langsame Soap, die sich durch ihr Format zu einer Bedeutung aufplustert, die es nicht hat. The Walking Dead hätte unterhaltsam sein können, anstatt jede Kleinigkeit bis zur Unendlichkeit auszudehnen. Und die Liste geht weiter Spartacus, Torchwood:Miracle Day und so weiter, und so weiter.

Und wenn wir ganz ehrlich sind, haben selbst gute Serien mit rotem Faden diese Probleme. Ich mag Breaking Bad, aber man könnte vermutlich mehrere Episoden pro Staffel streichen ohne auf wirklich Essentielles zu verzichten.

Episodisches Erzählen hingegen hat mit seiner einen Geschichte pro Folge immer ein Ziel vor Augen und muss zwingend Drama erzeugen um seine Zuschauer nicht zu verlieren. Klar könnte man hier sogar noch leichter Folgen auslassen, aber dafür hat es auch nicht so viele Episoden durch die man sich durchkämpfen müsste.

Außerdem erlaubt episodisches Erzählen mehr Experimentierfreude, als ein roter Faden. Man kann in einzelnen Episoden völlig irre Konzepte ausprobieren. Die Serien, die dies wohl am besten gemacht haben sind Buffy und Community. Eine Folge, die für einen Großteil ihrer Zeit völlig ohne Dialog auskommt? Buffy  hat’s gemacht. Eine Folge völlig ohne Musik, die in im Fernsehen so nie dagewesener Form das Thema Tod behandelt? Gab’s bei Buffy. Eine Folge, die sechs verschiedene Zeitstränge erzählt, die sich aus einer eher unbedeutenden Handlung ergeben? Community war’s. Eine Folge über eine episches Paintball-Turnier, die ein besserer Actionfilm als die meisten Actionfilme ist? Gab’s auch bei Community.

Natürlich hat auch diese Form des Erzählens seine Nachteile. Sie kann zu abweschlungsarmen Wohfühlfernsehen verkommen, das seine Zuschauer in keinster Weise fordern will. Sie kann als Ausrede fungieren um die exakt gleiche Geschichte 22 mal pro Staffel zu erzählen, anstatt sich mühsam neue Ideen einfallen zu lassen.

Doch in seinen besten Momenten zeigt episodisches Erzählen wozu Fernsehen in der Lage sein kann. Und genau so tut es staffelübergreifendes Erzählen. Denn beides sind nur Werkzeuge, die in der richtigen Hand Großes und in der falschen Hand gar nichts schaffen. Zu sagen welches von beidem grundsätzlich besser ist, ist wie ein Vergleich zwischen Farben. Manche sind für mache Aufgaben besser geeignet, aber wer ernsthaft an eine „beste“ Farbe glaubt wäre der meist-gehasste Kunstlehrer aller Zeiten.

H.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen