Sonntag, 20. April 2014

Ein paar Gedanken zu…. Steven Moffat!



Seriengott oder untalentierter Sexist?

von Henni

 
Steven Moffat fasziniert mich wie nur wenige andere Autoren. Der Grund? Für eine lange Zeit konnte ich nicht sicher sagen, ob ich ihn mag oder nicht. Für jedes seiner Projekte, das mir gefiel, kam ein anderes, bei dem ich nur den Kopf schütteln konnte. Teilweise habe ich meinem Ärger über ihn auch schon hier auf diesem Blog Luft gelassen. Hätte ich Reviews zu allem, was er danach gemacht hat (ganz besonders Time of the Doctor), geschrieben, wären sie ähnlich negativ ausgefallen. Also habe ich es gelassen, da ich das nicht besonders konstruktiv gefunden hätte und besseres mit meiner Zeit zu tun hab.

Und ich bin nicht der Einzige. Auch Fans sind sehr zerstritten, was Moffat angeht. Für die einen ist er ein Genie, dass Doctor Who gerettet und Sherlock geschaffen hat. Für die anderen ist er derjenige, der Doctor Who kaputt geschrieben und Sherlock Holmes besudelt hat. Dann gibt es wieder andere, die ihn vor allem mögen, weil er nicht wie sein Doctor Who Vorgänger schwul ist. Die letzteren sind dumm, aber die oberen beiden Gruppen haben beide verständliche Positionen.

Nach langem Nachdenken bin ich nun endlich aber zu einigen endgültigen Schlussfolgerungen darüber gekommen wo ich Moffat sehe, die sowohl seine besten Momente als auch seine schlimmsten kreativen Verbrechen berücksichtigen. Ich entschuldige mich bereits im Voraus dafür, dass das hier ein längerer Artikel wird.

Bevor wir anfangen wäre es auch vielleicht noch gut klarzustellen, was genau ich von Moffat kenne. Die folgenden Punkte basieren alle auf seiner Arbeit an Doctor Who, Sherlock, Jekyll und Tim und Struppi: Das Rätsel der Einhorn. Ich weiß, dass er auch im Sitcom Bereich mit Joking Apart und Coupling große Erfolge gefeiert hat, aber aus Gründen die gleich klar werden, habe ich kein Interesse daran diese Serien nachzuholen.

Dann lasst uns nach dieser unnötig langen Einleitung gleich loslegen! Für die genannten Serien gilt eine Spoilerwarnung.

1. Steven Moffat kann keine eigenen Charaktere schreiben

Das wirkt vielleicht wie ein harter Einstieg, aber es ist auch Moffats größte Schwäche. Er kann beim besten Willen keine eigenen Figuren schreiben. Das zieht sich durch alle seine Werke. Alle Nebenfiguren in Jekyll sind austauschbar, sämtliche seiner Figuren in seinen eigenen Doctor Who Staffeln ebenso.

Ganz besonders schlimm ist das bei seinen weiblichen Figuren. Sie sind quasi alle gleich. Sie sind alle etwas sarkastisch, sind oft am flirten und sind pseudo-unabhängig (sie sollen zwar unabhängig sein, sind aber meist komplett an die männliche Hauptfigur gebunden). Sie haben zwar manchmal unterschiedliche Hintergrundgeschichten, aber diese hallen in den Figuren nicht wieder. Und so verhält sich eine Zeitreisende wie River Song, die in ihrer Kindheit entführt und zu einer Killermaschine gemacht wurde, genauso wie die Ehefrau aus Jekyll oder wie die Doctor Who Companions Amy und Clara. Sie sind alle die selbe Figur.

Das heißt auch, dass sie sich nie weiter entwicklen. Amy schafft es z.B. zu sterben, ihren Mann mehrfach sterben zu sehen, ihr Kind zu verlieren, zu erleben wie ihr Kind zu einer Killerin wird, den Doctor sterben zu sehen, sich zu scheiden, sich wieder zu versöhnen und schließlich zu altern ohne sich ein kleines bisschen zu verändern.

All das ist auch der Grund warum mich Moffats Sitcoms nicht interessieren. Eine charakterzentrierte (!) Show über Beziehungen (!) von ihm wirkt auf mich etwa so interessant wie eine Israel Dokumentation von Mel Gibson.

2. Steven Moffat kann gut Geschichten für bereits festgelegte Charaktere schreiben

Wenn Moffat aber nicht selber Figuren erfinden muss, sondern ihm bereits Charaktere vorgegeben werden, kann er echt gute Arbeit leisten. Wenn diese Figuren dann auch noch Männer sind, dann umso besser. Deshalb ist er in Sherlock und Tim und Struppi so gut darin über Männerfreundschaften zu schreiben.

Auch bei Jekyll sind die einzig interessanten Figuren diejenigen, bei denen es bereits eine literarische Vorlage gibt: Jekyll und Hyde. Bei seinem Doctor Who ist auch der Doctor selbst, die am besten geschriebene Figur, weil sich Moffat ausgiebig bei seinen Vorgängern (besonders Russel T. Davies) bedienen konnte. Und es ist auch sicher kein Zufall, dass seine besten Folgen in der Serie die sind, die aus der Zeit als er noch nicht Showrunner war stammen.

3. Steven Moffat ist ein Sexist

Das lässt sich leider nicht leugnen.

4. Steven Moffat hat gute Ideen…

Moffat hat teilweise fantastische Ideen. Die Weeping Angels und die Silents sind einige der besten Doctor Who Monster. In der gleichen Serie kreativer mit Zeitreisen und Zeitparadoxen umzugehen war ebenso genial. Die Idee Sherlock in die jetzige Zeit zu versetzen ist toll (wenn auch aus den Basil Rathbone Sherlock Holmes Verfilmungen geklaut) und wunderbar umgesetzt. Das Gleiche gilt für Jekyll.

In den besten Fällen werden diese Ideen zu wirklich guten Geschichten, wie in seinen frühen Doctor Who Folgen, den ersten zwei Staffeln Sherlock und der ersten Hälfte von Jekyll.

5. …aber er setzt sie auch oft in den Sand

Leider schafft es Moffat viele seiner Ideen im Nachhinein kaputt zu machen. Die Weeping Angels haben nur in ihrer ersten Folge Blink funktioniert. Alle späteren Auftritte waren mehr als peinlich. Das Gleiche gilt bei den Silents. Auch die Zeitparadoxe hat er zu Tode geritten, in dem er sie bei fast jeder seiner Geschichten in den Mittelpunkt gestellt hat. Sherlock hat sich mit der Zeit auch nicht mehr darauf beschränkt subtil zu zeigen wie Sherlock Holmes noch heute funktionieren kann, sondern hat versucht mit dem Holzhammer zu zeigen wie clever es doch ist.

6. Steven Moffat kann keine großen Handlungsbögen schreiben

Moffat hat ein Faible dafür große Geschichten über mehrere Staffeln zu erzählen, nur leider hat er kein Talent dafür. Sein großer Doctor Who Handlungsbogen ist ein wirres Desaster mit viel zu vielen Ideen, die zusammengeworfen wurden ohne durchdacht zu werden.

Außerdem baut Moffat ständig Erwartungen auf, die er nicht halten kann. Und wenn er eine Frage aufwirft bekommt man darauf als Zuschauer keine Antwort, sondern eine Erklärung. So ist z.B. die Auflösung von Sherlocks Tod mehr als enttäuschend. Das gleiche gilt für Jekyll. Dort schafft es Moffat nicht einmal eine Geschichte über 6 Folgen vernünftig erzählen.

7. Steven Moffat entwertet Geschichten im Nachhinein

Moffat schafft es nicht nur Erwartungen zu enttäuschen, er untergräbt auch ständig seine eigenen (und anderer Leute) Geschichten. Die Erklärung für Sherlocks Tod zerstört die Spannung des Finales der 2. Staffel. Denn laut Erklärung wusste Sherlock die ganze Zeit was gespielt wurde und wurde nicht etwa wie in der Folge gezeigt an seine Grenzen getrieben.

Ebenso untergräbt das Finale von der 3. Staffel Sherlock den Charakter der Mary Watson. Statt einer klugen, eigenständigen Frau, die sich super mit Sherlock und Watson ergänzte, ist sie nun eine Mörderin und Geheimagentin, die die beiden die ganze Zeit über belogen hat.

Aber am schlimmsten ist der Retcon aus Day of the Doctor. Denn dort löscht Moffat die Schuld des Doctors am Tod seiner Rasse aus und reißt somit 7 Jahre Charakterentwicklung ein.

8. Steven Moffat berherrschte Pacing und Dramataurgie…

Einer der Gründe warum Moffat mit all seinen Fehlern trotzdem durchgekommen ist, war sein Gespür für Pacing. Auch wenn einen die Charaktere egal waren, hat einen seine Dramaturgie mitgerissen. Er hat es selbst geschafft Ansammlungen aus Einzelszenen und Zeitsprüngen wie A Scandal in Belgravia unterhaltsam zu machen. Auch die 6. Staffel Doctor Who war so spannend, dass es einem egal war, dass kaum etwas Sinn machte.

9. …bis er es nicht mehr beherrschte

Sein Gespür für Pacing war Moffats größte Stärke. Umso verheerender war es als er sie nach Staffel 6 verlor. Und es passierte so plötzlich. Im einen Moment wirkte es als wäre er auf dem Hoch seiner Karriere und im nächsten schrieb er The Doctor, the widow and the wardrobe. Was zunächst wie ein Ausrutscher wirkte, wurde leider zum Normalzustand. Seit dieser Folge hat Moffat kein gutes Drehbuch mehr geschrieben.

Zunächst wirkten seine Geschichten einfach unorganisch. Szenen existierten zum Selbstzweck und passten nicht zum Rest der Folge, Dialoge liefen länger als sie sollten während andere Elemente viel zu überhastet abgehandelt wurden (z.B. die Scheidung von Amy und Rory).

Aber es wurde noch schlimmer. Seine letzten Folgen bei Doctor Who und Sherlock waren schlicht unansehbar. Die Geschichten hatten kaum Tempo und er machte echte Anfängerfehler beim Schreiben. So missachtete er unter anderem bei The Time of the Doctor fast die ganze Folge hindurch die „show, don’t tell“ Regel. Die verdammte grundlegendste Regel des Geschichtenerzählens!

10. Steven Moffat konnte alte Ideen für neue Zuschauer interessant machen

Was haben Sherlock Holmes, der Doctor, Jekyll/Hyde und Tim und Struppi gemeinsam? Sie sind anderer Leute Ideen. Damit habe ich prinzipiell kein Problem. Es gibt Schreiber, die sind dazu geboren etwas Neues zu schaffen, und es gibt Schreiber, die nur die schon vorhandenen Spielzeuge neu anordnen. Zwar sind die aus der erste Gruppe, wenn sie Erfolg haben, meistens wichtiger/besser/wegweisender, aber das heißt nicht, dass die zweite Gruppe zu unterschätzen ist. Manchmal können neu angeordnete Spielzeuge sogar besser sein, als das Original (z.B. ist Der Pate eine Adaption, die in jeder Hinsicht ihrer Vorlage überlegen ist).

So gut war Moffat zwar nie, aber er konnte all diese alten Ideen für eine neue Generation wieder interessant machen, indem er verstanden hat was sie schon immer gut gemacht hat.

11. Jetzt schreibt Steven Moffat nur noch für eine kleine, spezielle Gruppe

Aber irgendwann in den letzten Jahren war es ihm auf einmal nicht mehr genug Geschichten für alle Zuschauer zu erzählen und er hat sich auf ein neues Zielpublikum eingeschossen: Fanboys. Auf einmal musste er Zuschauer mit unnötigen Anspielungen erschlagen, damit eine kleine Gruppe Fans darüber freuen konnte, dass ein Name genannt wurde, den sie aus ihrer Kindheit kennen.

Am schlimmsten hat dies Doctor Who getroffen. Die Miniepisode Night of theDoctor ist absolute Negativbeispiel für diese Art von Schreiben. In ihr taucht der nur aus einem TV-Film aus dem Jahr 1996 bekannte 8. Doctor für 5 Minuten auf, nennt ein paar Namen aus den Fanhörspielen, in denen er in den letzten Jahren mitgemacht hat, nur um dann zu sterben. Man hat als Zuschauer keinerlei Grund irgendetwas dabei zu fühlen, denn man weiß nichts über diese Figur. Die einzigen, die sich darüber freuen, sind Fans, denen es wichtiger ist, dass ein paar Namen genannt werden, als dass eine ansprechende Geschichte erzählt wird.

Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Genauso schlimm ist Tom Bakers Auftritt in Day of the Doctor oder der Archivbild-Angriff aller 13 Doctoren in Day of the Doctor oder so ziemlich alles aus Day of the Doctor. Dies sind keine vollwertigen Geschichten für ein breites Publikum. Es ist Fan-Fiction für nostalgische Altfans.

12. Steven Moffat ist kein guter Showrunner

Je weniger Entscheidungsgewalt Moffat hat, desto besser sind die Projekte an denen er beteiligt ist. Das ist eine traurige aber zutreffende Regel. Deswegen waren seine Doctor Who Drehbücher unter Russel T. Davies so gut. Weil es jemanden gab, der seine Schwächen ausmerzen konnte und das letzte Wort hatte. Tim und Struppi ist so gut, weil Edgar Wright und Joe Cornish sein Skript überarbeitet haben und Steven Spielberg das letzte Wort hatte. Sherlock war für 2 Staffeln so gut, weil Moffat in Mark Gattis einen fähigen Co-Showrunner hatte, der ihm zur Seite stand.

Doctor Who ist momentan so schlecht, weil niemand Moffat ausbremsen kann. Klar hatte die Show unter Moffat auch ihre guten Momente, aber selbst dann war sie durchzogen von seinen typischen Schwächen.

Und es sind nicht nur seine eigenen Episoden, die leiden. Die ganze Serie wirkt auf einmal seltsam zerwürfelt und inkonsistent. Die Sets, Kostüme und der Vorspann ändern sich dauernd. Man hat als Zuschauer keine Gelegenheit sich an irgendwas zu gewöhnen. Auch die Folgen der restlichen Autoren wirken nicht wie aus einem Guss. Es gibt keine durchgängig gehaltene Qualität und keine durchgängige Atmosphäre. Man könnte zwei Wochen hintereinander einschalten und das Gefühl haben zwei völlig unterschiedliche Serien gesehen zu haben.

13. Steven Moffat ist gut in einem Team

Aus den schon genannten Gründen ist Moffat besser als einer von vielen Schreibern in einem Autorenteam geeignet. Er hat seine Schwächen, aber auch seine Stärken und er braucht jemanden der ihm dabei hilft erstere auszumerzen und letztere voll zu nutzen. Jemanden, der das beste aus seinen Ideen herausstilisieren und von allem Sexismus trennen kann.

14. Steven Moffat ist zu erfolgreich

Leider war Steven Moffat zu erfolgreich für sein eigenes Wohl. Er hat mit Sherlock und Doctor Who zwei der erfolgreichsten britischen Serien am Laufen. Er wird danach nicht einfach wieder einer von vielen in einem Team sein. Egal was er als nächstes macht, er wird wieder der Boss.

Und das ist nicht gut für ihn, denn als Boss liefert er keine gute Arbeit ab. Und so wäre Steven Moffat ein Gefangener seines eigenen Erfolges.

15. Es gibt noch Hoffnung

Es gibt einen Ort, an dem Moffat nicht der Boss wäre: Hollywood. Sollte Moffat nach dem Ende seiner Serien dort mit seiner Karriere weitermachen, so besteht noch eine Chance. Denn er kann im TV so erfolgreich wie er will gewesen sein, ein Spielberg wird ihm trotzdem wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Damit hätte Moffat dann wieder, Tadaa, jemand der ihn ausbremsen kann.

Also gibt es am Ende dieses ganzen Artikels doch noch Hoffnung. Zu seinem eigenen Wohl muss Moffat wieder ein Teamplayer werden. Denn wenn er seinen derzeitigen Kurs fortsetzt, schreibt sich Steven Moffat erfolgreich in die Bedeutungslosigkeit.

1 Kommentar:

  1. Gucke gerade eine Moffat Folge und hab beim googeln deinen Artikel entdeckt.. Du hast es einfach auf den Punkt gebracht! Vielen Dank! Ich denke manchmal bei dem Hype um 11 und 12, dass ich die einzige bin, die die Stories einfach nur wirr findet mit ihren plötzlich aus dem Nichts auftauchenden Lösungswegen und den nicht nahbaren Charakteren (trotz ihrer langen Familiengeschichte und privater Einblicke..). Also Dankeschön! Muss mir den Artikel unbedingt bookmarken, für den nächsten Moffat-Frust :)!

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