Einer der besten
und einzigartigsten Actionfilme der letzten Jahre.
von Henni
Sexismus
ist scheiße. Sexismus ist auch überall. Vor allem in der Popkultur. Und das ist
auch kein Wunder, schließlich war er für den Großteil der Geschichte Teil so
ziemlich jeder Gesellschaft. Etwas was so tief verankert ist, überwindet man
nicht so schnell.
Ein
paar Jahrtausende vorgespult, erklärt dies warum Frauenfiguren so oft so
schlecht geschrieben werden. Man muss aber auch fairerweise gestehen, dass
Frauen zu schreiben für viele Autoren wirklich ein Minenfeld ist. Eine Frau nur
als Opfer zu schreiben ist sexistisch. Okay, aber wenn viele Autoren dies als
Anlass nehmen starke Frauen nur in Mannweibern zu sehen, ist diese Häufung auch
sexistisch. Genau so wenig will man eine weibliche Figur als Sexobjekt
objektivieren. Aber wenn man das Gegenteil macht und auf einmal jeder Ausdruck
von Sexualität als Schwäche gesehen wird, ist das natürlich auch scheiße. Und
so weiter, und so weiter…
Deshalb
ist es umso beeindruckender, wenn ein Film es tatsächlich einmal schafft all
diese Stolperstricke zu umgehen. Vor allem wenn er dies so mühelos macht wie Haywire. Aber der Reihe nach.
Haywire ist ein
Action-Thriller vom großen Steven Soderbergh. Und er ist einer der
eigenwilligsten Filme dieses Genres. Das fängt schon beim Cast an. Der umfasst
so Größen wie Michael Fassbender, Ewan McGregor, Bill Paxton, Channing Tatum,
Antonio Banderas und Michael Douglas. Aber keiner dieser Stars spielt die
Hauptrolle. Diese Ehre wird Gina Carano zuteil, einer Mixed Martial Arts
Kämpferin, die bis dahin kaum Schaupielerfahrung außer in ein paar B-Movies
hatte. Lasst euch das auf der Zunge zergehen, eine Profisportlerin für die das
Schauspielgeschäft noch völlig neu ist, kriegt die Hauptrolle in einem Film
dessen Cast aus einer Mischung von Legenden und einigen der größten heutigen
Talente besteht. Wenn das mal kein Druck ist.
Das
diese seltsame Produktion überhaupt realisiert wurde, ist wahrscheinlich nur
Steven Soderbergh zu verdanken. Und das eigenwillige Casting war ihm nicht
genug. Statt nur auf Action zu setzen, wie man vielleicht erwarten könnte,
erzählt Soderbergh einen ruhigen, bodenständigen Verschwörungsthriller.
Gina
Carano ist Mallory Kane, Agentin bei einer privaten Sicherheitsagentur. Sie ist
effizient und zuverlässig, aber irgendetwas scheint bei einem ihrer letzten Einsätze schief
gelaufen zu sein, denn sowohl die Polizei als auch ihre ehemaligen Auftraggeber
sind hinter ihr her. Also dreht sie den Spieß um und macht selber Jagd auf ihre
Bosse.
Soderbergh
enthüllt Puzzlestück um Puzzlestück in diesem Verwirrspiel und dreht dabei
stetig die Spannung an ohne je in Hektik zu verfallen. Nebenbei beweist er,
dass er ein Meister seines Faches ist. Haywire
sieht wunderschön aus. Dabei setzt Soderbergh für Actionfilme sehr
ungewöhnliche Mittel ein wie Bildverfärbungen und einen sehr ruhigen Score.
Auch der Schnitt ist manchmal geradezu gemächlich, nur um dann urplötzlich
wieder an Tempo zu gewinnen. Soderbergh verlässt sich auch angenehmerweise sehr
auf seine Bildsprache und verfällt nicht der heutigen Kinosünde alles zu Tode erklären
zu müssen. In einer sehr beeindruckenden Flashback Szene am Anfang schafft er
es Mallorys letzten Einsatz in nur wenigen Minuten komplett ohne Dialog und
rein visuell Revue passieren zu lassen ohne gehetzt zu wirken.
Soderbergh
begnügt sich auch nicht damit nur eine spannende Geschichte zu erzählen. Er
unterfüttert seinen Film zusätzlich noch mit einer gesunden Prise Kritik an
privat finanzierten Sicherheitsagenturen.
Die
Actionszenen sind wenn sie dann kommen kurz und kompromisslos. Soderbergh
verliert sich nicht in exzessiven Choreographien, sondern bleibt bodenständig
und realistisch. Haywire ist einer
der wenigen Actionfilme dessen Kampfszenen wirklich glaubhaft wirken. Die
Szenen zeigen auch, dass Carano der unbestrittene Star des Films ist.
Sie
schafft es mühelos sich neben einem All-Star Cast zu beweisen. Vor allem zeigt
sie aber, dass Kampfkunst auch Schauspielerei sein kann. Mit Mallory Kane hat
sie auch wirklich einen Glückgriff gemacht, denn diese ist einfach eine
gutgeschriebene Figur. Hier kommen wir wieder zu den eingangs beschriebenen
Stolperfallen. Mallory ist eine Frau, aber ihr Geschlecht ist nicht das einzige
was ihre Identität ausmacht. Sie wird nicht auf ein Mannweib reduziert, aber
sie ist unglaublich kompetent in ihrem Job. Das heißt aber auch nicht, dass sie
einfach nur als kalt dargestellt wird. Sie hat auch ihre warmen Momente und
genießt eindeutig das Leben. Sie wird nicht zum Sexualobjekt degradiert, aber
gleichzeitig wird es ihr im Film erlaubt durchaus sexy zu sein.
Kurzum
sie ist ein Charakter, der zufällig auch eine Frau ist. Und genau das ist
eigentlich der Schlüssel (für männliche Autoren) Frauenfiguren zu schreiben.
Man schreibt erst einen Charakter und weist ihm dann ein Geschlecht zu. Das
passiert leider viel zu selten, aber wenn es passiert ist es unglaublich
erfrischend.
Ich
habe jetzt viel davon geschwärmt wie toll Mallory Kane und Gina Carano sind,
aber sie sind tatsächlich nur ein hervorragender Teil eines hervorragenden
Filmes. Haywire ist insgesamt ein
einzigartiger und rundum gelungener Thriller von einem fantastischen Regisseur.
Was will man mehr?
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