Sonntag, 7. September 2014

Zebrapapagei’s Schatztruhe: Haywire



Einer der besten und einzigartigsten Actionfilme der letzten Jahre.

von Henni

 
Sexismus ist scheiße. Sexismus ist auch überall. Vor allem in der Popkultur. Und das ist auch kein Wunder, schließlich war er für den Großteil der Geschichte Teil so ziemlich jeder Gesellschaft. Etwas was so tief verankert ist, überwindet man nicht so schnell.

Ein paar Jahrtausende vorgespult, erklärt dies warum Frauenfiguren so oft so schlecht geschrieben werden. Man muss aber auch fairerweise gestehen, dass Frauen zu schreiben für viele Autoren wirklich ein Minenfeld ist. Eine Frau nur als Opfer zu schreiben ist sexistisch. Okay, aber wenn viele Autoren dies als Anlass nehmen starke Frauen nur in Mannweibern zu sehen, ist diese Häufung auch sexistisch. Genau so wenig will man eine weibliche Figur als Sexobjekt objektivieren. Aber wenn man das Gegenteil macht und auf einmal jeder Ausdruck von Sexualität als Schwäche gesehen wird, ist das natürlich auch scheiße. Und so weiter, und so weiter…

Deshalb ist es umso beeindruckender, wenn ein Film es tatsächlich einmal schafft all diese Stolperstricke zu umgehen. Vor allem wenn er dies so mühelos macht wie Haywire. Aber der Reihe nach.

Haywire ist ein Action-Thriller vom großen Steven Soderbergh. Und er ist einer der eigenwilligsten Filme dieses Genres. Das fängt schon beim Cast an. Der umfasst so Größen wie Michael Fassbender, Ewan McGregor, Bill Paxton, Channing Tatum, Antonio Banderas und Michael Douglas. Aber keiner dieser Stars spielt die Hauptrolle. Diese Ehre wird Gina Carano zuteil, einer Mixed Martial Arts Kämpferin, die bis dahin kaum Schaupielerfahrung außer in ein paar B-Movies hatte. Lasst euch das auf der Zunge zergehen, eine Profisportlerin für die das Schauspielgeschäft noch völlig neu ist, kriegt die Hauptrolle in einem Film dessen Cast aus einer Mischung von Legenden und einigen der größten heutigen Talente besteht. Wenn das mal kein Druck ist.

Das diese seltsame Produktion überhaupt realisiert wurde, ist wahrscheinlich nur Steven Soderbergh zu verdanken. Und das eigenwillige Casting war ihm nicht genug. Statt nur auf Action zu setzen, wie man vielleicht erwarten könnte, erzählt Soderbergh einen ruhigen, bodenständigen Verschwörungsthriller.

Gina Carano ist Mallory Kane, Agentin bei einer privaten Sicherheitsagentur. Sie ist effizient und zuverlässig, aber irgendetwas scheint  bei einem ihrer letzten Einsätze schief gelaufen zu sein, denn sowohl die Polizei als auch ihre ehemaligen Auftraggeber sind hinter ihr her. Also dreht sie den Spieß um und macht selber Jagd auf ihre Bosse.

Soderbergh enthüllt Puzzlestück um Puzzlestück in diesem Verwirrspiel und dreht dabei stetig die Spannung an ohne je in Hektik zu verfallen. Nebenbei beweist er, dass er ein Meister seines Faches ist. Haywire sieht wunderschön aus. Dabei setzt Soderbergh für Actionfilme sehr ungewöhnliche Mittel ein wie Bildverfärbungen und einen sehr ruhigen Score. Auch der Schnitt ist manchmal geradezu gemächlich, nur um dann urplötzlich wieder an Tempo zu gewinnen. Soderbergh verlässt sich auch angenehmerweise sehr auf seine Bildsprache und verfällt nicht der heutigen Kinosünde alles zu Tode erklären zu müssen. In einer sehr beeindruckenden Flashback Szene am Anfang schafft er es Mallorys letzten Einsatz in nur wenigen Minuten komplett ohne Dialog und rein visuell Revue passieren zu lassen ohne gehetzt zu wirken.

Soderbergh begnügt sich auch nicht damit nur eine spannende Geschichte zu erzählen. Er unterfüttert seinen Film zusätzlich noch mit einer gesunden Prise Kritik an privat finanzierten Sicherheitsagenturen.

Die Actionszenen sind wenn sie dann kommen kurz und kompromisslos. Soderbergh verliert sich nicht in exzessiven Choreographien, sondern bleibt bodenständig und realistisch. Haywire ist einer der wenigen Actionfilme dessen Kampfszenen wirklich glaubhaft wirken. Die Szenen zeigen auch, dass Carano der unbestrittene Star des Films ist.

Sie schafft es mühelos sich neben einem All-Star Cast zu beweisen. Vor allem zeigt sie aber, dass Kampfkunst auch Schauspielerei sein kann. Mit Mallory Kane hat sie auch wirklich einen Glückgriff gemacht, denn diese ist einfach eine gutgeschriebene Figur. Hier kommen wir wieder zu den eingangs beschriebenen Stolperfallen. Mallory ist eine Frau, aber ihr Geschlecht ist nicht das einzige was ihre Identität ausmacht. Sie wird nicht auf ein Mannweib reduziert, aber sie ist unglaublich kompetent in ihrem Job. Das heißt aber auch nicht, dass sie einfach nur als kalt dargestellt wird. Sie hat auch ihre warmen Momente und genießt eindeutig das Leben. Sie wird nicht zum Sexualobjekt degradiert, aber gleichzeitig wird es ihr im Film erlaubt durchaus sexy zu sein.

Kurzum sie ist ein Charakter, der zufällig auch eine Frau ist. Und genau das ist eigentlich der Schlüssel (für männliche Autoren) Frauenfiguren zu schreiben. Man schreibt erst einen Charakter und weist ihm dann ein Geschlecht zu. Das passiert leider viel zu selten, aber wenn es passiert ist es unglaublich erfrischend.

Ich habe jetzt viel davon geschwärmt wie toll Mallory Kane und Gina Carano sind, aber sie sind tatsächlich nur ein hervorragender Teil eines hervorragenden Filmes. Haywire ist insgesamt ein einzigartiger und rundum gelungener Thriller von einem fantastischen Regisseur. Was will man mehr?

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