Montag, 10. November 2014

Review: „Interstellar“ ist „2001“ für Fantasielose



Christopher Nolan liefert eine weitere Enttäuschung.

von Henni

 
Ihr kennt sie sicher auch. Die unglaublich kurzen Amazon Filmkritiken, die nur aus dem Satz „Ich bin nach xx Minuten eingeschlafen. Der Film war doof.“ bestehen. Sie sind überall und sie sind, entgegen der Überzeugung ihrer Verfasser, in keinster Weile hilfreich. Meist sagen sie auch mehr über die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer, als über die Qualität des Films aus. Ich persönlich empfinde diese „Reviews“ als den absoluten Bodensatz der Filmkritik.

Ich bin nach einer halben Stunde Interstellar eingeschlafen.

Bzw. ich war die ersten zwei Stunden des Films in einer Art Wachschlaf, aus dem ich hin und wieder gerissen wurde. Das ist für mich unglaublich selten. So selten, dass ich mich nicht erinnern kann bei welchem Film mir das zum letzten Mal passiert ist. Wahrscheinlich war ich da noch ein 5-jähriger Henni, der über seine Schlafenszeit hinaus einen Asterix Film sehen wollte, den er eh schon 5 mal gesehen hatte. Aber seitdem hat es kein Film mehr geschafft mich schläfrig zu machen, egal wie langweilig er war oder wie spät ich ihn gesehen habe. Interstellar hat mich in der Hinsicht gebrochen.

Aber anders als die Ein-Satz Amazon Reviews will ich zumindest versuchen meinen Schlaf zu rechtfertigen.

Denn auf dem Papier klingt Interstellar sehr, sehr gut. Eine Science Fiction Geschichte, die pro-Wissenschafts und anti-Umweltverschmutzungs/Globale-Erwärmungs Themen in einem Blockbuster verpackt? Ein Cast, der Größen wie Matthew McConaughey, Jessica Chastain, aber auch einige meiner obskureren Lieblingsschauspieler wie Topher Grace oder John Lithgow umfasst? Bitte her damit. Christopher Nolan als Regisseur? Nicht mein Liebling, aber Inception war wirklich gutes Sci-Fi Kino.

Und all dieses Potential ist da: Die Themen, die fantastischen Schauspieler, die unglaublichen visuellen Welten, die Nolan zaubert. Aber es liegt begraben unter furchtbaren Dialogen, holpriger Exposition, pseudo-intellektuellen Philosophieren und dem fehlenden Vertrauen, das Nolan in sein Publikum hat.

Um den Bogen vom Anfang zu schlagen: Das ist auch der Grund warum ich eingeschlafen bin. Niemand in diesem Film spricht wie ein normaler Mensch. Stattdessen wird jeder thematische Aspekt, den Nolan ansprechen will, essayistisch durchgekaut. Das ist auf Dauer unglaublich ermüdend und kontraproduktiv. Denn statt die Zuschauer selber über die Wunder von Wissenschaft und Weltraum staunen zu lassen, kaut er dem Publikum alles vor. Dadurch untergräbt Nolan sich selber und kann die Begeisterung, die er offensichtlich für diese beiden Themen hat, nicht weitervermitteln.

Diese Behandlung des Zuschauers von oben herab bremst den Film auch immer wieder aus, wenn er gerade droht doch tatsächlich spannend zu werden. Denn direkt danach muss wieder ein Charakter dem Publikum erklären warum das gerade spannend war und was es für die Themen des Films zu bedeuten hat. Es gibt trotzdem noch eine Handvoll sehr effektiver Szenen, wie z.B. ein Wettfliegen zum Mutterschiff der Astronauten und eine Rettung vor dem Ersticken in letzter Sekunde. Diese sind aber zu weit verstreut.

Der Film gipfelt schließlich in einer bizarren Sequenz, die fast 1:1 das Ende des Stanley Kubrick Klassikers 2001: Odyssee im Weltraum kopiert. Nur dass hier nichts ambivalent gelassen wird und dem Zuschauer wirklich ALLES erklärt wird. Dabei verpasst der Film gefühlte zehn Möglichkeiten an einer noch einigermaßen pointierten Stelle zu enden und zeigt uns stattdessen wirklich jede Kleinigkeit aus McConaugheys weiterem Leben. Dieses Ende ist dann der letzte Sargnagel für den Film.

Interstellar ist also insgesamt leider eine herbe Enttäuschung. Wichtige Themen werden von guten Schauspielern zu Tode geredet und der Versuch eine der großen Szenen der Filmgeschichte zu emulieren scheitert auf ganzer Linie. Damit hat Christopher Nolan nach The Dark Knight Rises seinen zweiten ambitionierten Reinfall geliefert. Wenn er diesen Trend nicht stoppt und sich wieder auf seine Stärken besinnt kleine, kompakte Thriller zu erzählen, sehe ich für seine (künstlerische) Zukunft leider schwarz. Wobei er sich vielleicht auch einfach mal jemanden anheuern könnte um seine Dialoge zu schreiben.

2 Kommentare:

  1. Ich kann Deine Kritik teilweise nachvollziehen. Ich hätte mir auch ein offenes und pointierteres Ende gewünscht. Die detailreiche Endsequenz ist zwar im besten Feuilleton-Deutsch: „visionär“, nimmt dem Zuschauer damit aber Raum für Spekulation und Phantasterei. Es ist ja auch immer sehr anregend, wenn man einen Film weiterdenken kann - gerade Science-Fiction eignen sich dazu sehr gut, weil sie Bekanntes mit Möglichem ergänzen. „Interstellar“ behält uns diese Möglichkeit vor und das ist schade.

    Unfair ist Deine Kritik bei der Frage, inwieweit man sich Inspiration bei seinem Vorbild holen kann, hier: Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“. Es hat immer so ein Geschmäckle, wenn man einen Film dafür kritisieren möchte, dass er sich zu dreist bei dem vermeintlichen Original bedient. Da schwingt immer etwas verletzter Stolz mit. Und überhaupt: Viele gute Filme sind von anderen inspiriert worden und trotzdem kommt keiner auf die Idee sie dafür zu kritisieren. Wieso auch? Reminiszenzen gehören nun mal zu Filmen dazu; und „2001“ ist nur einer von vielen, auf die „Interstellar“ Bezug nimmt. Die Frage ist deshalb, ob der Stoff weiterentwickelt wird oder ein stumpfes Remake bleibt. Meiner Meinung nach ist „Interstellar“ keine aktualisierte Version von „2001“, sondern ein eigenständiger Film, der sich vor seinem Vorbild verbeugt. Was Stil angeht bin ich auch eher bei „Interstellar“, denn mit dem an Terence Mallick erinnerenden Wiedergeburtskitsch in „2001“ kann ich nicht so viel anfangen. Das ist mir zu bombastisch, zu abgedreht, zu religiös. Aber das ist eben auch Geschmackssache.

    Schlussendlich: Das Nolan-Bashing („(...) sehe ich für seine (künstlerische) Zukunft leider schwarz.“ usw.) kann ich nicht nachvollziehen. Man muss anerkennen, dass der Mann es schafft, clevere Filme für ein Mainstreampublikum zu machen. Da war bis jetzt noch kein Reinfall dabei („Batman begins“ fand ich etwas tröge, aber war ok), für den sich ein Regisseur hätte schämen müssen. Aber der kommt vielleicht noch.

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    1. Ich will auf keinen Fall irgendwem verbieten sich inspirieren zu lassen. Die 2001 Szene hätte sogar gut funktionieren können, wenn die Dialoge an der Stelle zurückgefahren worden wären und ein besseres Ende gewählt worden wäre. Aber wenn man sich bei einer der (meiner Meinung nach) besten und größten Szenen der Filmgeschichte bedient und dann hinter dieser zurückbleibt, fällt das natürlich besonders negativ auf.

      Das Nolan-Bashing ist eigentlich eher ein Nolan-Sich-Sorgen-Machen, weil Interstellar sein zweiter Reinfall in Folge ist. Natürlich hoffe ich, dass er wieder zu alter Form zurückfindet. Denn sowohl Dark Knight Rises als auch Interstellar waren trotz all ihrer Fehler zumindest ambitioniert und behandelten interessante Themen. Es sind Filme, die ich eigentlich mögen möchte, weshalb es mich so ärgert, dass sie letztendlich nicht funktionieren.
      H.

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