„Honig im Kopf“
ist nicht gestört genug um zu unterhalten.
von Henni
Wie schon mehrfach auf diesem Blog erwähnt, bin ich ein Riesenfan von Matthias
Schweighöfer, weil sich seine Filme so wunderbar für eine psychoanalytische
Fallstudie anbieten und in der Hinsicht wirklich unterhaltsam sind. Also wollte
ich mir mal seinen großen Konkurrenten Til Schweiger anschauen um zu gucken ob
er ähnlich interessant ist oder vielleicht sogar wirklich gute Filme macht.
Nach Honig im Kopf muss ich das nun
leider beides verneinen.
Til
Schweiger ist leider nur halb so talentiert wie Matthias Schweighöfer.
Aber
der Reihe nach. Honig im Kopf erzählt
die Geschichte einer Familie, die mit der Alzheimererkrankung des Großvaters (Dieter
Hallervorden) zu kämpfen hat. Sein Sohn (Til Schweiger) will nicht einsehen,
dass es mit seinem Vater bergab geht. Seine Schwiegertochter (Jeanette Hain) will
ihn in ein Heim stecken. Und seine Enkelin (Emma Schweiger) kommt auf die
grandiose Idee mit ihrem Großvater abzuhauen um noch einmal Venedig zu sehen. Wo
er vor Jahren seine Flitterwochen verbracht hat.
Theoretisch
haben all diese Charaktere auch Namen, aber sie wachsen nie wirklich über
Archetypen hinaus. Sie sind der Großvater, der Vater, die Mutter und das Kind.
Mehr Charaktereigenschaften kriegen sie nicht spendiert. Sie sind reine
Projektionsflächen. Anstatt sich selber die Arbeit zu machen die Figuren zu
charakterisieren, verlässt sich Schweiger einfach darauf, dass sein Publikum
den Film mit seinen eigenen Assoziationen füllt. So wird z.B. nie klar was Hallervordens
tote Frau als Charakter ausgemacht hat, aber sie ist eine tote Großmutter also
erwartet Schweiger von uns dass wir traurig sind, weil wir vielleicht auch tote
Großmütter haben. Das ist billigste Manipulation und schlechtes Drehbuchschreiben.
Das
ist aber nur eine von Schweigers vielen Unzulänglichkeiten. Das Drehbuch
schafft es auch kaum einen roten Faden zu finden. Der Film ist knapp zweieinhalb
Stunden lang und die erste Hälfte davon besteht aus einer willkürlichen Aneinanderreihung
von Szenen, die Dieter Hallervorden dabei zeigen durch seinen Alzheimer für
Chaos zu sorgen oder wegen seines Alzheimers zu trauern. Es gibt keinerlei
Entwicklung dabei, sondern stattdessen werden die gleichen Charakter- und
Storybeats ununterbrochen wiederholt. Es wirkt als hätte Schweiger keine
einzige Szene schneiden wollen. Die Reise nach Venedig wirkt deshalb auch schon
fast wie ein nachträglicher Einfall.
Trotz
oder gerade wegen diesem Beharren auf Hallervordens Eskapaden, kommt die
Charakterentwicklung viel zu kurz. Es gibt keine wirklichen Charakterarcs,
sondern stattdessen entscheiden sich die Figuren in manchen Szenen aus heiterem
Himmel, dass sie sich jetzt weiterentwickelt haben und z.B. auf ihrem Job
verzichten wollen um sich um Großvater zu kümmern ohne dass man als Zuschauer
sieht, wie sie zu diesem Entschluss gekommen sind.
Visuell
hat Schweiger das Repertoire eines Werbefilmregisseurs. Indierock, Slowmotion,
Montagen und Landschaftsaufnahmen sind das einzige was er kann. Er weiß
teilweise nicht einmal wie er von einer Szene zur nächsten kommen soll und
lässt deshalb seine Tochter per Voiceover erklären, was zwischen diesen beiden
Szenen passiert ist, anstatt es uns vielleicht zu ZEIGEN. Weil Film ein
visuelles Medium ist und so. Er kann auch keinen ruhigen Moment schaffen.
Selbst unter intime Gespräche oder Streits legt er entweder Indierock oder
Grillenzirpen. Ersteres ist völlig unpassend und zweiteres zeigt, dass er
seinem Film nicht zutraut sich selbst zu tragen, sondern irgendeine
Sounduntermalung unter jede Szene legen muss.
Dass
er so wenig drauf hat ist Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass Honig im Kopf (laut dem Internet) Schweigers zehnter (!) Film als
Regisseur ist. Um das mal in Perspektive zu setzen: Steven Spielbergs zehnter
Film war Jäger des verlorenen Schatzes,
Martin Scorceses zehnter Film war Goodfellas,
Stanley Kubricks zehnter Film war Barry
Lyndon und moderne Regisseure wie Quentin Tarantino, Wes Anderson oder
Edgar Wright haben noch nicht einmal zehn Filme gemacht. Wie kann man zehn
Filme drehen und trotzdem so wenig drauf haben? Irgendwann muss man doch lernen
wie man eine Szene inszeniert.
Trotz
all seiner technischen Mängel ist Schweiger aber immer noch ein guter
Hauptdarsteller. Man kann ja über ihn sagen was man will, aber der Mann kann
einen Film auf seinen Schultern tragen. (Was es umso unverständlicher macht
warum er sich nicht einfach einen guten Regisseur und Drehbuchschreiber
anheuert um seine Ideen umzusetzen, aber egal.) Hallervorden glänzt in den
Szenen, in denen sein Alzheimer nicht nur für Gags missbraucht wird und gibt
seinem Archetypen echte Menschlichkeit. Jeanette Hain macht die schlimmste
Rolle des Films, Schweigers hysterische Frau (haha, Frauen sind echt seltsam,
lacht Mario Barth), fast erträglich und viel vielschichtiger als es diese Rolle
verdient. Die einzige im Cast, die es nicht drauf hat, ist Schweiger Tochter
Emma. Wenn ihr Vater ein Werbefilmregisseur ist, ist sie eine
Werbefilmschauspielerin. Sie hat genau ein Lächeln für mit Musik unterlegte
Montagen und sonst nichts zu bieten. Ihr Mangel an Präsenz ist natürlich ein
Problem, wenn man bedenkt, dass sie die Hauptdarstellerin ist.
All
das würde bereits reichen um den Film hoffnungslos gegen die Wand zu fahren.
Aber das kratzt noch nicht mal an dem zentralen Problem des Films: Schweiger
meint es ernst. Er will wirklich einen persönlichen Film über Alzheimer machen,
hat aber weder die intellektuelle Kapazität noch die filmischen Fähigkeiten das
umzusetzen. Und weil das einzige was er kann Comedy (oder besser gesagt Witze von
anderen kopieren) ist, missbraucht er fast für den ganzen Film das Thema
Alzheimer für billige Witze („Er hat in den Kühlschrank gepisst! Hihi!“), will
dann am Ende aber auf einmal emotional und bedeutsam sein. Diese Art von filmischen
Versagen ist einfach nur unangenehm anzuschauen. Vor allem wenn man bereits
selber in Kontakt mit Alzheimer und Demenz gekommen ist.
Das
unterscheidet Schweiger letztendlich auch von Schweighöfer (abgesehen davon
dass Schweighöfer ein besserer Regisseur ist, seine Filme besser strukturiert sind
und viel mehr Energie haben): über Schweighöfers kranke Weltsicht und
Unfähigkeit kann man lachen, während einem Schweiger eher leid tut, weil er
tatsächlich Ambitionen hat, denen er aber in keinster Weise gerecht werden
kann.
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