Dienstag, 31. März 2015

Review: Til Schweiger ist kein Matthias Schweighöfer



„Honig im Kopf“ ist nicht gestört genug um zu unterhalten.

von Henni

 
Wie schon mehrfach auf diesem Blog erwähnt, bin ich ein Riesenfan von Matthias Schweighöfer, weil sich seine Filme so wunderbar für eine psychoanalytische Fallstudie anbieten und in der Hinsicht wirklich unterhaltsam sind. Also wollte ich mir mal seinen großen Konkurrenten Til Schweiger anschauen um zu gucken ob er ähnlich interessant ist oder vielleicht sogar wirklich gute Filme macht. Nach Honig im Kopf muss ich das nun leider beides verneinen.

Til Schweiger ist leider nur halb so talentiert wie Matthias Schweighöfer.

Aber der Reihe nach. Honig im Kopf erzählt die Geschichte einer Familie, die mit der Alzheimererkrankung des Großvaters (Dieter Hallervorden) zu kämpfen hat. Sein Sohn (Til Schweiger) will nicht einsehen, dass es mit seinem Vater bergab geht. Seine Schwiegertochter (Jeanette Hain) will ihn in ein Heim stecken. Und seine Enkelin (Emma Schweiger) kommt auf die grandiose Idee mit ihrem Großvater abzuhauen um noch einmal Venedig zu sehen. Wo er vor Jahren seine Flitterwochen verbracht hat.

Theoretisch haben all diese Charaktere auch Namen, aber sie wachsen nie wirklich über Archetypen hinaus. Sie sind der Großvater, der Vater, die Mutter und das Kind. Mehr Charaktereigenschaften kriegen sie nicht spendiert. Sie sind reine Projektionsflächen. Anstatt sich selber die Arbeit zu machen die Figuren zu charakterisieren, verlässt sich Schweiger einfach darauf, dass sein Publikum den Film mit seinen eigenen Assoziationen füllt. So wird z.B. nie klar was Hallervordens tote Frau als Charakter ausgemacht hat, aber sie ist eine tote Großmutter also erwartet Schweiger von uns dass wir traurig sind, weil wir vielleicht auch tote Großmütter haben. Das ist billigste Manipulation und schlechtes Drehbuchschreiben.

Das ist aber nur eine von Schweigers vielen Unzulänglichkeiten. Das Drehbuch schafft es auch kaum einen roten Faden zu finden. Der Film ist knapp zweieinhalb Stunden lang und die erste Hälfte davon besteht aus einer willkürlichen Aneinanderreihung von Szenen, die Dieter Hallervorden dabei zeigen durch seinen Alzheimer für Chaos zu sorgen oder wegen seines Alzheimers zu trauern. Es gibt keinerlei Entwicklung dabei, sondern stattdessen werden die gleichen Charakter- und Storybeats ununterbrochen wiederholt. Es wirkt als hätte Schweiger keine einzige Szene schneiden wollen. Die Reise nach Venedig wirkt deshalb auch schon fast wie ein nachträglicher Einfall.

Trotz oder gerade wegen diesem Beharren auf Hallervordens Eskapaden, kommt die Charakterentwicklung viel zu kurz. Es gibt keine wirklichen Charakterarcs, sondern stattdessen entscheiden sich die Figuren in manchen Szenen aus heiterem Himmel, dass sie sich jetzt weiterentwickelt haben und z.B. auf ihrem Job verzichten wollen um sich um Großvater zu kümmern ohne dass man als Zuschauer sieht, wie sie zu diesem Entschluss gekommen sind.

Visuell hat Schweiger das Repertoire eines Werbefilmregisseurs. Indierock, Slowmotion, Montagen und Landschaftsaufnahmen sind das einzige was er kann. Er weiß teilweise nicht einmal wie er von einer Szene zur nächsten kommen soll und lässt deshalb seine Tochter per Voiceover erklären, was zwischen diesen beiden Szenen passiert ist, anstatt es uns vielleicht zu ZEIGEN. Weil Film ein visuelles Medium ist und so. Er kann auch keinen ruhigen Moment schaffen. Selbst unter intime Gespräche oder Streits legt er entweder Indierock oder Grillenzirpen. Ersteres ist völlig unpassend und zweiteres zeigt, dass er seinem Film nicht zutraut sich selbst zu tragen, sondern irgendeine Sounduntermalung unter jede Szene legen muss.

Dass er so wenig drauf hat ist Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass Honig im Kopf (laut dem Internet) Schweigers zehnter (!) Film als Regisseur ist. Um das mal in Perspektive zu setzen: Steven Spielbergs zehnter Film war Jäger des verlorenen Schatzes, Martin Scorceses zehnter Film war Goodfellas, Stanley Kubricks zehnter Film war Barry Lyndon und moderne Regisseure wie Quentin Tarantino, Wes Anderson oder Edgar Wright haben noch nicht einmal zehn Filme gemacht. Wie kann man zehn Filme drehen und trotzdem so wenig drauf haben? Irgendwann muss man doch lernen wie man eine Szene inszeniert.

Trotz all seiner technischen Mängel ist Schweiger aber immer noch ein guter Hauptdarsteller. Man kann ja über ihn sagen was man will, aber der Mann kann einen Film auf seinen Schultern tragen. (Was es umso unverständlicher macht warum er sich nicht einfach einen guten Regisseur und Drehbuchschreiber anheuert um seine Ideen umzusetzen, aber egal.) Hallervorden glänzt in den Szenen, in denen sein Alzheimer nicht nur für Gags missbraucht wird und gibt seinem Archetypen echte Menschlichkeit. Jeanette Hain macht die schlimmste Rolle des Films, Schweigers hysterische Frau (haha, Frauen sind echt seltsam, lacht Mario Barth), fast erträglich und viel vielschichtiger als es diese Rolle verdient. Die einzige im Cast, die es nicht drauf hat, ist Schweiger Tochter Emma. Wenn ihr Vater ein Werbefilmregisseur ist, ist sie eine Werbefilmschauspielerin. Sie hat genau ein Lächeln für mit Musik unterlegte Montagen und sonst nichts zu bieten. Ihr Mangel an Präsenz ist natürlich ein Problem, wenn man bedenkt, dass sie die Hauptdarstellerin ist.

All das würde bereits reichen um den Film hoffnungslos gegen die Wand zu fahren. Aber das kratzt noch nicht mal an dem zentralen Problem des Films: Schweiger meint es ernst. Er will wirklich einen persönlichen Film über Alzheimer machen, hat aber weder die intellektuelle Kapazität noch die filmischen Fähigkeiten das umzusetzen. Und weil das einzige was er kann Comedy (oder besser gesagt Witze von anderen kopieren) ist, missbraucht er fast für den ganzen Film das Thema Alzheimer für billige Witze („Er hat in den Kühlschrank gepisst! Hihi!“), will dann am Ende aber auf einmal emotional und bedeutsam sein. Diese Art von filmischen Versagen ist einfach nur unangenehm anzuschauen. Vor allem wenn man bereits selber in Kontakt mit Alzheimer und Demenz gekommen ist.

Das unterscheidet Schweiger letztendlich auch von Schweighöfer (abgesehen davon dass Schweighöfer ein besserer Regisseur ist, seine Filme besser strukturiert sind und viel mehr Energie haben): über Schweighöfers kranke Weltsicht und Unfähigkeit kann man lachen, während einem Schweiger eher leid tut, weil er tatsächlich Ambitionen hat, denen er aber in keinster Weise gerecht werden kann.

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